Putin-Herausforderer verhaftet

Bürgermeister des nordrussischen Archangelsk will bei Präsidentenwahlen antreten

MOSKAU taz ■ Sicherheitsorgane im nordrussischen Archangelsk hatten es sehr eilig. Vorgestern brachen mehrere Dutzend Ordnungshüter bei dem Bürgermeister Alexander Donskoi ein und schleiften den 36-Jährigen nur mit einer Unterhose bekleidet aus der Wohnung in die Untersuchungshaft. Dem seit Wochen kranken Stadtvorsteher wirft die Staatsanwaltschaft vor, seinen Wachschutz aus der Stadtkasse bezahlt zu haben.

Dies ist die vierte Klage gegen den Bürgermeister seit Ende 2006. Ihm wird zudem zur Last gelegt, ein Diplom gefälscht und illegale Geschäfte betrieben zu haben. Donskoi geriet erst ins Fadenkreuz der Ermittler und des Gouverneurs der Region, nachdem er im November erklärt hatte, er wolle für die Präsidentenwahlen 2008 kandidieren.

Im vertikal strukturierten Machtgeflecht wurde dieser Vorstoß als ein Angriff auf die Herrschaftsverhältnisse gewertet. Der Sonderbeauftragte des Kreml in der Nordregion versuchte Donskoi zu bewegen, die Kandidatur zurückzunehmen und eine vorübergehende Geistesabwesenheit vorzuschieben. Andernfalls hätte er mit Unannehmlichkeiten zu rechnen.

Donskoi ist stur. Vor zwei Jahren errang er 39 Prozent der Archangelsker Stimmen: doppelt so viel Zuspruch wie die beiden Gegenkandidaten der Kremlpartei Vereinigtes Russland (VR). Der Gouverneur des Archangelsker Oblast ist gleichzeitig Mitglied des Parteirates der VR. Er soll den Bürgermeister verfolgen, weil die Hierarchie ihn für das Vorpreschen Donskois zur Verantwortung zieht. Letzte Woche ging der Bürgermeister zum Gegenangriff über. Die Website der Stadt veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie der Gouverneur und ein anderes Dumamitglied der VR 2005 Schmiergeld annehmen. Gouverneur Nikolai weist die Vorwürfe zurück. Donskoi gehört keiner Partei an. Vor der Kandidatur für das Stadtamt besaß er eine Supermarktkette, die er mit Amtsantritt für 7 Millionen Dollar verkaufte. Er wollte Geschäft und Politik auseinanderhalten, sagte er im taz-Gespräch. Der für gestern angesetzte Prozess wurde auf Ende August verschoben.

KLAUS-HELGE DONATH