Die Mediengruppe Telekommander zweifelt am System, Der Elegante Rest an der Liebe

Es wird unwohnlich im Kapitalismus: Krisen überall, Geld weg, Werte hops – Auftritt: Mediengruppe Telekommander mit ihrem Schwanengesang „Die Elite der Nächstenliebe“. Ganz recht: Nach zehn Jahren beatgetriebener Systemkritik haut das Duo mit einem letzten, zunächst nur auf Vinyl erhältlichen Album in den Sack. Wer nun aber angesichts all dessen auf Altersmilde hofft, wird zu Recht enttäuscht. Keine Umarmung, nirgends – auch nicht für die eigene Klientel. „Das ist dein Moment: Der Zeitgeist der Beliebigkeit“, wird im knarzig pumpenden Eröffnungstrack „Auf der sicheren Seite“ dem diffus links fühlenden Digitalnomaden auf die Stirn tätowiert. Und noch bevor der sich erholen kann, bläst schon ein bedrohlich anschwellender Falsett-Chor zum Abgesang auf die alte Ordnung. Man spürt: Die „sichere Seite“ liegt an einem Abgrund. Auf diesen schiebt die Mediengruppe nun neun knackig-kurze Titel lang ravend und skandierend alle Hoch- und Ankommer, Mitmacher und Mitgemachten zu. Dazu liefert die Single „Deine Schule“ Deichkind-mäßiges Remmidemmi mit Cheerleader-Chorus für die nächste Antifa-Party.

Doch mit zunehmender Abspieldauer wird eine gewisse Erschöpfung zwischen den Rillen hörbar. Da ist ein leichtes Schleppen im Beat, das die unablässig nach vorne schreiende Schimpftirade beständig konterkariert – wie ein Höllenritt in Zeitlupe, bei dem man die ganze Zeit angebrüllt wird. Was bremst? Ist es die Befürchtung, am Ende mitgerissen zu werden – und dass kein „Stoppschild“ (so der letzte Song) uns mehr aufhält? Gar die Ahnung, dass der Absturz des westlichen Wohlstandsmodells keine Sause wird? Genau diese Ambivalenz aus Zerstörungswut und dem spürbarem Unbehagen daran ist es am Ende aber, die das Album zur Platte der Stunde macht: das ganze uneindeutige Drama einer Epoche als finales DJ-Set für die Abenddämmerung des Kapitalismus.

Wem nach so viel Apokalypse die Ohren pfeifen, kann sich bei Der Elegante Rest erholen. Die ursprünglich aus Leipzig stammende Indie-Band schenkt uns mit ihrem dritten Album „Ungeduld“ ein sperriges Kleinod voller elegisch glitzernder Gitarren-Songs, die vom ersten Ton an begeistern. Der warme, offene Bandsound lässt der nachdenklichen Lyrik von Sänger Jörg Wolschina (mehr Regener als Distelmeyer) viel Raum zur Entfaltung. Zwar kriselt es auch hier – das Geld ist alle, Gewitter ziehen auf –, doch im Gegenzug zur Mediengruppe findet Wolschina noch Ruhe im Sturm. Vielleicht ist es die hier gänzlich kitschfrei besungene Liebe, obschon voller Zweifel, die den nötigen Trost spendet (wie im famosen Opener „Lässt du mich so zu dir herein?“). Vielleicht ist es auch ganz einfach nur die großartige Musik dieser mit atemberaubenden Details randvollen Platte.

Das hier ist Godard und nicht Spielberg, hier ist alles in Schwarzweiß, der verzagte Held trinkt Rotwein, Jazz und Revolte liegen eng umschlungen in der Luft. Das hier ist das Album, das den verfrühten Herbstregen überhaupt erst erträglich macht.DANIEL VON FROMBERG

■ Mediengruppe Telekommander: „Die Elite der Nächstenliebe“ (Audioakt); Der Elegante Rest: „Ungeduld“ (Problembär Records), live: 26. 8. bei den Indie Pop Days am Kreuzberger Wasserturm