Schall und Rauch

Meine Frage, warum der Mann denn so komisch zucke, der da bei „Wetten, dass …?“ so ein Lied sang, beantwortete meine Tante mit Verweis auf übermäßigen Substanzenkonsum und erinnerte mich daran, wie der Onkel Herbert auch immer gezuckt habe. „Kam auch alles vom Suff, Junge, du wirst nicht so einer, ja, versprich mir das.“

Später sah ich den zuckenden Mann wieder, viel jünger war er da noch, in Woodstock nämlich, wo er jenes grandiose „With a little help from my friends“ aus sich herauspresste, und da wusste ich: Der ist nicht high; zumindest nicht von Drogen. Na, jedenfalls nicht ausschließlich. Die schier unglaubliche Intensität des Beatlescovers veranlasste Paul McCartney und George Harrison, mehrere Lieder für den englischen Gasinstallateur freizugeben. Gleich drei davon finden sich auf seinem zweiten Album („She came in through the bathroom window“, „Something“ und „Let it be“) und waren nur ein weiterer Beleg für die Überlegenheit so manchen Sängers über die zwar technisch perfekte, aber fast immer viel zu emotionslose Darbietung der eigenen Lieder durch McCartney. Ray Charles Version von „Yesterday“ zum Beispiel stellt das Original auch in einen tiefen Kernschatten. Aber das ist ein ganz anderes Thema, denn eigentlich soll es ja an dieser Stelle um die mangelnde Orginalität Joe Cockers gehen. Darf man ihm seine Verdienste um wirklich wertvolle Neuinterpretationen von Songs anderer Leute zugutehalten, muss die offensichtliche Gleichgültigkeit in der Auswahl von Albumtiteln mit aller Ernsthaftigkeit angeprangert werden. Die 1969er-Platte „Joe Cocker!“ unterscheidet sich im Titel von der 1972 erschienenen „Joe Cocker“ nur durch die Interpunktion und von „Cocker“ (1986) auch nur geringfügig. Nimmt man dann noch das gute Dutzend diverser „Joe Cocker’s Greatest Hits“, „The best of Joe Cocker“ und nicht zuletzt „Cocker Happy“ dazu, fragt man sich, ob der Mann ein Selbstwertproblem oder ein schlechtes Namensgedächtnis hat.

Ein Drogenproblem hatte Joe Dingens übrigens doch, das kam allerdings erst nach Woodstock zur vollen Entfaltung. Rockstartypische Exzesse, Konflikte mit dem Gesetz und schließlich eine Entzugsklinik machten das Karrierebild komplett. Blues ist ja insofern eine ganz gute Wahl für Künstler, die mal glaubwürdig die Sau rauslassen wollen, aber nicht die Absicht haben, auch gleich jung zu sterben. Insofern freuen wir uns auf einen würdevollen und authentischen Joe Cocker, der am Samstag in der Waldbühne als sein eigenes Denkmal viele Lieder anderer Leute, aber von nach ihm benannten Alben vortragen wird.

Der Tante hab ich nichts versprochen. DANIÉL KRETSCHMAR