EIN ABEND IN DER SCHLANGE FÜR DAS SEEED-KONZERT
: Exklusives Heimspiel

„Alle wolln hin oder sind auf dem Weg / In deiner Stadt steht der Magnet“ (Seeed)

VON BENJAMIN QUIRING

Heimspiele sind immer etwas Besonderes. Auch bei Konzerten ist das so. Wenn also angekündigt ist, dass die Berliner Reggae- und Dancehallband „Seeed“ zurück ist und in Kreuzberg, also quasi im Wohnzimmer, live und in Farbe spielt, wundert es nicht, dass am Mittwochabend die Schlange vor dem Festsaal an der Skalitzer Straße hundert Meter über den Gehweg reicht – Stunden vor dem Einlass. „Die Ersten waren schon um 14 Uhr hier“, kommentiert das ein Türsteher.

Reggaehörer, die sich hier durch ihre Dreads zu erkennen geben, sind meist entspannte Typen, die sich vor allem von einer Sache nicht stressen lassen: der Zeit. Egal wie lange es dauern sollte, man wartet halt. Vor dem Eingang wird lässig Gitarre gespielt und im Chor a capella „Dickes B“ gesungen – womöglich als Generalprobe in Sachen Textkenntnis: Zu lange schon hat man nichts mehr von den „Dancehall-Caballeros“ gehört. Nur Frontmann Pierre Baigorry traute sich in der Zwischenzeit als Peter Fox in die Öffentlichkeit, das Cover seines Soloalbums „Stadtaffe“ grinst in der Schlange von mehreren T-Shirts. Zuletzt aber hatte sich die heute elfköpfige Truppe unweit des Ortes ihrer Rückkehr im Tonstudio verschanzt, um an einem neuen Album zu arbeiten.

In der Skalitzer wird Bier getrunken, geraucht, gequatscht. Die Stimmung ist gut, die Schlange lang. Auch als das Gerücht die Runde macht, es gebe nur 100 Karten, denkt niemand daran, nach Hause zu gehen: „Vielleicht gehen andere ja vor uns – dann schaffen wir’s vielleicht rein“, motiviert ein Mädchen ihre Freundinnen. Für den Notfall gibt es aber auch noch ein Konzert am Donnerstagabend. „Ich komme morgen einfach direkt nach der Arbeit“, sagt Felix Leder. Der 22-Jährige erklärt, er freue sich „riesig“ auf das neue Seeed-Album und habe eigentlich gehofft, in den Saal zu kommen.

Irgendwann geht das Licht über dem Eingang an und das Stahlgitter auf. Leider nur für kurze Zeit, dann hängt ein Pappschild über dem Eingang: „Ausverkauft“. Draußen stehen noch unzählige Menschen. Es dauert noch ein bisschen, bis sich die ersten enttäuscht auf den Heimweg machen. „Bestimmt 400 stehen auf der Gästeliste und nur 100 Karten sind abends zu kaufen“, beschwert sich eine junge Frau. Aber was soll man machen? Seeed hatten es in ihrem neuen Lied „Molotov“ vorausgesagt: „Alle wolln hin oder sind auf dem Weg / In deiner Stadt steht der Magnet.“

An diesem Abend konnten leider nicht alle hin – auch wenn es ein Heimspiel war.