Heiße Luft und gefährliches Material

Zuhause in New York sind „Hazmat Modine“ mit ihrer Mischung aus Blues, Calypso, Klezmer, Brass-Band-Sound und Reggae-Einflüssen längst eine der angesagtesten Clubbands. In diesem Sommer erobern sie Europa

„Hazmat Modine“, das klingt nicht unbedingt nach einer US-amerikanischen Band. Schon gar nicht, wenn ein russischer Fernsehmoderator zu Beginn des jüngst erschienenen Debüts „Bahamut“ den Namen ausspricht: „Chassmatt Mohdiene“. Aber weit gefehlt. „Hazmat“ ist eine Abkürzung für „hazardous material“ – gefährliches Material. Und „Modine“ ein Hersteller großer Heizgebläse. Und genau darum geht es: heiße Luft und gefährliches Material. Und um die Seele amerikanischer Musik.

Vor sieben Jahren gründete Wade Schuman, hauptberuflich Direktor der Malerei-Abteilung der New Yorker Kunstakademie und landesweit bekannter Maler, die neunköpfige Band, die in New York längst ein angesagter Clubact ist und als das Innovativste gilt, was der Blues in den letzten Jahren zustande gebracht hat. Denn hier geht es tiefer in den Süden, nach New Orleans, zur Geburtsstätte des Blues. Weiter in die Baumwollfelder und Sümpfe hinein, näher an das rostige Blech und Screamin’ Jay Hawkins’ Voodoozaubereien.

Dabei sind „Hazmat Modine“ mitnichten Anhänger einer reinen Lehre. Auf „Bahamut“ findet sich ein krächzendes, röhrendes, dionysisches Gebräu aus Whorehouse-Blues, Reggae, Klezmer, Calypso, Country und rumänischem Brass-Band-Sound. Dabei umschiffen „Hazmat Modine“ gekonnt alle Klippen derartiger Vermischungs-Projekte. Weder klingen sie einfach trendy, noch kommt ihre Stil-Melange kitschig daher. „Bahamut“ wandelt leidenschaftlich auf den noch nicht ausgetretenen Nebenpfaden der amerikanischen Musikseele, beschwört zugleich Gewohntes, Abseitiges und den unscharfen Raum dazwischen.

Denn genau dort vermutet Mastermind Schuman die Seele US-amerikanischer Musik. Ihr Herz sei der so genannte „Melting Pot“, in dem beständig Kulturen aufeinanderprallen und sich befruchten. Schon der erste Blues-Hit, W. C. Handys „St. Louis Blues“ lebe von seinem Tango-Teil. Er erst mache den Song zu dem, was er ist. Das Problem sei heute, dass wir in einer nostalgischen Welt lebten, in der es scheine, als seien Blues, Rock’n’Roll oder Dixieland rigide musikalische Formen, die nicht durch äußere Faktoren bestimmt seien. Das aber entspreche nicht der Dynamik amerikanischer Musikgeschichte, die auf einer phänomenalen kulturellen Verschiebung in der Frühphase des 20. Jahrhunderts beruhe.

Ein gutes Beispiel für die stets unvorhersehbaren und dennoch natürlich wirkenden Partnerschaften, die „Hazmat Modine“ ausmachen, ist der Debüt-Titeltrack „Bahamut“. So ist der Rhythmus des ersten Teils vom Calypso inspiriert, der zweite wiederum hat unverkennbar rumänische Einflüsse. Die Improvisation hinter dem gesprochenen Teil in der Mitte schließlich bezieht sich auf den Blues Big Maybelles, während der Text selbst der arabischen Mythologie entstammt. „Und die Leute hören es und denken, es ist Klezmer“, lacht Schuman.

Das spielerische Vermischen musikalischer Genres und Einflüsse drückt sich auch in der Instrumentierung aus: Beeindruckende chinesische Mundorgeln gibt es zu bestaunen, die nur einige Monate lang produzierte Hohner-Claviola und das Cymbalon, die rumänische Version des Hackbretts. Und wer hat je ein Sarrussaphon live gehört?

So bleibt „Hazmat Modine“s Sound immer einzigartig und innovativ. Balkan-Instrumente leiten in pulsierenden Western-Swing ein und wo eben noch nächtlich heulende indonesische Straßenhunde von einer geisterhaften Gitarre begleitet werden, wird man urplötzlich in einen explosiven New Yorker Mitternachts-R&B-Schuppen katapultiert.

„Ich will mein Publikum verführen“, sagt Schuman denn auch. „Sie sollen sich nicht nur gut fühlen. Ich will sie bewegen.“

ROBERT MATTHIES

Di, 24. 7., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36