Mehr Beton gegen den Frieden

ISRAEL 4.300 neue Wohnungen will das Innenministerium im arabischen Osten Jerusalems bauen lassen. Damit dürften sich Friedensgespräche vorerst erledigt haben

„Dies ist überhaupt keine politische, sondern eine rein ökonomische Entscheidung“

ROEI LACHMANOVICH, SPRECHER DES INNENMINISTERIUMS

BERLIN taz | Wieder einmal hat sich in Israel die Siedlerlobby durchgesetzt. Dass sich jetzt auch das Innenministerium offiziell der ebenso listigen wie abstrusen Argumentation dieser Lobby anschließt, ist jedoch neu. Als Antwort auf die Sozialproteste gegen zu hohe Mieten und steigende Lebenshaltungskosten hatte die Siedlerlobby bekanntlich empfohlen, mehr Siedlungen zu bauen, um den Menschen preiswerten Wohnraum zu bieten. Genau dieses Argument ist dem israelischen Innenministerium jetzt nicht zu billig, um die jüngsten Neubauten in Ostjerusalem zu begründen. „Diese wurden jetzt wegen der ökonomischen Krise hier in Israel genehmigt“, erklärte der Sprecher des Innenministeriums Roei Lachmanovich am Donnerstag. „Dies ist überhaupt keine politische, sondern eine rein ökonomische Entscheidung“, fügte er hinzu.

In einem ersten Schritt hat Israels Innenminister Eli Yishai 1.600 neue Wohnungen in der Siedlung Ramat Shlomo im Nordwesten Ostjerusalems genehmigt. Doch damit nicht genug. Schon in den nächsten Tagen, so kündigte sein Sprecher an, werde auch die Genehmigung für 2.000 weitere Wohnungen in der Siedlung Givat Hamatos im Süden der Stadt und 700 weitere in Pisgat Zeev im Norden Ostjerusalems erteilt. Erst in der Vorwoche hatte das Innenministerium den Bau von 900 zusätzlichen Häusern in der Siedlung Har Homa, gegenüber von Bethlehem, angekündigt. Dabei hatte das Ministerium allerdings noch auf jeden Bezug zur israelischen Protestbewegung verzichtet. All diese Siedlungen liegen in einem Gebiet von Jerusalem, das Israel 1967 erobert und 1981 annektiert hat, nicht ohne zuvor die Stadtgrenzen weit ins Westjordanland hinein zu verschieben. Nach dem Völkerrecht sind diese Siedlungen illegal. Israel betrachtet dagegen den Siedlungsbau als legitim, da Jerusalem, die „ewige und unteilbare Hauptstadt des jüdischen Staates“ sei.

Die Siedlungserweiterungen in Ostjerusalem dürften nicht nur die Palästinenser, sondern auch die Europäer und die US-Regierung verärgern. Schon im März 2010 hatte die bloße Ankündigung, 1.600 Wohnungen in Ramat Schlomo bauen zu wollen, den Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden belastet. Biden, ein erklärter Israel-Freund, war daraufhin zu einem Abendessen mit Premier Benjamin Netanjahu erst mit demonstrativer Verspätung erschienen. Damals wie heute lautet die Begründung der Europäer und US-Amerikaner, dass der Siedlungsbau eine Provokation sei und eine Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich mache. An dieser Bewertung dürfte sich wenig geändert haben. GEORG BALTISSEN