Die dunkle Seite der Macht

Wenn die Linke, so wie in Bremen, mit staatlichem Geld zum Arbeitgeber mutiert, wird die Basis hellhörig: Dann ist von einem neuen politischen Stil die Rede, von prekären Beschäftigungsverhältnissen – und Jobs für jene, die die Partei aufgebaut haben

Den Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft stehen insgesamt 4,2 Millionen Euro pro Jahr zu. Alle Fraktionen bekommen einen einheitlichen Grundbetrag von monatlich knapp 22.000 Euro, dazu eine Kopfpauschale für jeden Abgeordneten von monatlich knapp 3.200 Euro. Doch das Geld musste nur für drei Fraktionen reichen. Die Grünen bekamen dabei 25.000 Euro im Monat als „Oppositionsbonus“ – rund 2.000 Euro für jeden Abgeordneten. Die fallen nun weg, so dass die Grünen-Fraktion statt der bisherigen Million jetzt nur noch 800.000 Euro bekommt. Die CDU hat nach wie vor etwa 1,5 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, die SPD muss knapp 300.000 Euro einsparen und hat fortan gut 1,5 Millionen Euro jährlich. Noch nicht in diesen Summen enthalten sind Mittel für die technische Ausstattung sowie die – gesetzlich festgelegten – Gehälter der jeweiligen Fraktionsgeschäftsführer.  mnz

von JAN ZIER

Es geht um Geld, um viel Geld, für „Die Linke“ jedenfalls. Wenigstens 500.000 Euro sind zu verteilen, und zwar jedes Jahr, bis zur nächsten Landtagswahl in Bremen. Es sind die Mittel der Parlamentsfraktion, der ersten ihrer Art im Westen der Republik. Und es kommen nochmal gut 100.000 Euro dazu, jährlich, wohlgemerkt, allein für einen Fraktionsgeschäftsführer. Das weckt Begehrlichkeiten. Gerade in der Linken.

Einen Fraktionsgeschäftsführer haben sie schon eingestellt, gleich zwei sogar, schon aus politischen Gründen und weil der Posten qua Gesetz so gut dotiert ist. Das Geld reicht für beide, Christoph Speer und Manfred Steglich, die sich die Stelle jetzt teilen. Sie bekommen zusammengenommen 4.900 Euro im Monat, brutto. Und nach einem Jahr viel mehr: Dann nämlich wird ein Fraktionsgeschäftsführer in Bremen wie ein Spitzenbeamter nach B3 besoldet, dafür muss man anderenorts schon Bürgermeister einer Stadt von 20.000 EinwohnerInnen sein. Oder Botschafter. Oder Bundesbankdirektor.

Die Linksfraktion hat diesen Posten freihändig vergeben, also ohne ihn auszuschreiben. In jeder anderen Partei wäre das gar kein Thema. Geht es doch darum, einen Strippenzieher einzustellen, einen, der gegen alle Widerstände der etablierten Parteien gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Fraktionsgelder erkämpft, eine unbedingte Vertrauensperson also. Das sind drei Anforderungen, die lassen sich in keiner Stellenanzeige formulieren. „Ohne Fraktionsgeschäftsführer wären wir schon jetzt untergegangen“, sagt Klaus-Rainer Rupp, der jetzt selbst in der Bürgerschaft sitzt, „zur Lachnummer der Nation geworden“. Die anderen Parteien hätten uns, sagt Fraktionschefin Monique Trödel, „gnadenlos über den Tisch gezogen“.

Und doch: Die Sache hat, jedenfalls für manchen Linken, einen schalen Beigeschmack. Erst dieser Tage fordert die Fraktion von der SPD, das Amt des Parlamentsdirektors öffentlich auszuschreiben. Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) hat es, ebenfalls freihändig, an seine Parteigenossin und frühere Fraktionsgeschäftsführerin Karin Röpke vergeben. Die war bekannt geworden, weil sie als Sozialsenatorin zurücktreten musste – wegen eines Klinikskandals, wegen des Kindes Kevin, das in staatlicher Obhut ums Leben gekommen ist. Weber durfte das, das Gesetz erlaubt es ihm.

Doch in der Linkspartei regt sich jetzt Widerstand gegen die eigene Fraktion. „So geht es nicht“ ist derzeit von manchem Parteigänger an der Basis zu hören, und dann werden Anforderungen formuliert. Ein Verwaltungsrechtler soll es sein, sagt einer, mit mehrjähriger Erfahrung. Speer kann das nicht vorweisen. Steglich auch nicht.

Überhaupt, die Anforderungen: Denn nicht nur Fraktionsgeschäftsführer, auch wissenschaftliche MitarbeiterInnen werden jetzt eingestellt, WasserträgerInnen für über 30 Ausschüsse und Deputationen, welche die sieben Abgeordneten jetzt besetzen müssen. Dazu einE BüroleiterIn, einE PressesprecherIn, was eine Fraktion eben so braucht, um arbeiten zu können. Sieben Stellen, alles in allem, und alle ordentlich bezahlt, denn „prekäre Beschäftigung“ käme in der Linken nicht in Frage, sagt Rupp, der selbst ein Unternehmer ist, lieber verzichte er auf zusätzliches Personal.

Da möchte manch einer was werden, der jetzt zwei Jahre lang Kärrnerarbeit geleistet hat, noch dazu ehrenamtlich. Der all das hinter sich hat, was GenossInnen eine „Ochsentour“ nennen. Und der jetzt Hartz IV-Empfänger ist. „Ich habe zwei Jahre lang die Partei aufgebaut“, sagt einer, der sich sogleich als „Langzeitarbeitsloser“ vorstellt. Und weiter: „Wenn man an die Abgeordneten die gleichen Anforderungen stellen würde, wie an wissenschaftliche Mitarbeiter, dann hätten wir kaum welche.“ Dafür gibt es Beifall vom Plenum, das sich versammelt hat, um das Finanzkonzept der Bürgerschaftsfraktion zu diskutieren.

Auch das käme anderen Parteien nicht in den Sinn: Mit der Basis darüber zu reden, wie viel Geld ein jeder Funktionsträger verdient, und warum. Und ob sie lieber einen Referenten mehr oder weniger einstellen oder aber das Geld in die Fraktionsarbeitsgruppen stecken sollen. Bei der Linken ist das schon beinahe selbstverständlich, auch wenn die Basis formal nichts zu entscheiden hat. Gleichwohl sind ihre Beschlüsse irgendwie bindend, politisch jedenfalls. Klaus-Rainer Rupp redet denn auch gleich der Transparenz das Wort, spricht vom „neuen politischen Stil der Linken“.

Sie gehören damit zu den Guten, daran lässt auch Christoph Speer keinen Zweifel. Das viele neue Geld aber, das kommt von den Anderen. „Willkommen auf der dunklen Seite der Macht“, beginnt er seinen Vortrag.