Mückenplage ist nicht stichfest

Zahllose Mücken belästigen Berlin. Experten aber geben Entwarnung: Plage ist nicht in Sicht. Krankheiten werden auch nicht übertragen. Die Viecher wollen nur unser Blut

Ein leises Surren, ein kurzer Stich und eine tagelang juckende Schwellung. Wie eine wildgewordener Insektenschwarm breitet es sich aus in der Stadt: das Gerücht von der Mückenplage. Und je später der bierselige Abend am Seeufer, desto sicherer die Erkenntnis: Aggressive Killermücken oder gar Malaria sind im Anflug.

„Alles Blödsinn“, sagt Tomas Jelinek. Zwar hat der Leiter des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedizin in den letzten Wochen deutlich mehr Patienten, doch dafür sei keine neu eingewanderte aggressive Mückenart verantwortlich, betont der Mediziner, sondern die Sensibilität der Menschen. Ein Sekret der Stechmücke verhindert, das das Blut des Opfers beim Saugen gerinnt. Auf das Sekret reagierten Menschen zunehmend allergisch, erläutert Jelinek. Starker Juckreiz ist die Folgen. Mehr aber auch nicht. „Die hiesigen Mücken übertragen keinerlei Krankheiten“, betont er.

Nicht einmal der Malaria-Moskito käme dafür in Frage, ergänzt Gerd Müller-Motzfeld, Leiter des Bundesfachausschusses Entomologie des Naturschutzbundes (NABU). Das Insekt trete schon seit 50 Jahren in Deutschland auf. Doch für eine Übertragung der Tropenkrankheit sei es hier zu kalt. Das Klima töte den Erreger ab. Nicht einmal der Klimawandel führe zu den befürchteten Insektenplagen: „Das sind alles Gerüchte“, sagt Müller-Motzfeld. Korrekt hingegen sei der vielfach diskutierte Geschlechtsunterschied der lästigen Biester. „Die Männchen kopulieren und sterben danach einfach ab“, sagt der Insektologe. Auf die Blutspende der Menschen sind nur die Mückenweibchen angewiesen. Sie benötigen ein Protein aus dem Lebenssaft, um nach der Befruchtung Eier bilden und ablegen zu können.

Für eine erfolgreiche Brut wiederum ist ein stehendes Gewässer nötig. Da fanden die Mücken zuletzt optimale Bedingungen vor. Der Regen habe im Innenstadtbereich größere Pfützen verursacht, in denen sich Larven gut entwickeln könnten, erklärt Julian Heiermann, Insektenexperte des Nabu Berlin. Die Hitze der letzten Tage verstärke nun den Fortpflanzungsdrang – wie jedes Jahr. Eine auffällige Häufung gebe es nicht, sagt Heiermann. Das feuchtwarme Klima sei „ideal“ für die Mücke. Auch weil der Mensch dann den Schnaken, wie Berliner mit süddeutschem Migrationshintergrund die Biester nennen, bereitwillig entgegenkommt. Er sucht Abkühlung in den Seen – und damit in der Kinderstube der Mücken.

Ein Teufelskreis, könnte man meinen. Doch bei aller Qual, die Blutsauger erfüllen für das Ökosystem wichtige Aufgaben: Mücken und ihre Larven seien notwendige Beute für Spinnen, Fische oder Vögel, erläutert Heiermann. Sie seien stark auf das Vorkommen von Mücken angewiesen. CATALIN GAGIU