Riesenlaster fahren weiter

Die umstrittenen Gigaliner sollen noch bis Oktober über die Autobahnen donnern. Niedersachsen wird seinen Probebetrieb, der Ende Juli auslaufen sollte, verlängern

„Wir brauchen die Gigaliner nicht“, sagt der Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt

PEINE taz ■ Als Dietmar Schulz seinen Laster unfallfrei durch den Ascherslebener Kreisel in Peine manövriert hat, ist ihm zwar eine gewisse Erleichterung anzumerken. Dennoch meint er: „Das Ding macht echt keine Probleme“, sagt Schulz. Das Ding ist 25,25 Meter lang und hat acht Achsen. Ein Gigant der Straße, der in seinen drei Containern 156 Kubikmeter Raum für Ladung bietet, gut ein Drittel mehr als ein normaler Lkw. Das macht ihn für Spediteure interessant.

Als vor gut einem Jahr Niedersachsen die Riesenlaster, auch Gigaliner genannt, zu Testzwecken auf die Straße schickte, war die Empörung groß. Von Monstertrucks war die Rede, davon, dass Ungetüme auf die ganz normalen Verkehrsteilnehmer losgelassen würden. Dietmar Schulz hat für das Monster eine Fahrerlaubnis vom Regierungsbezirk Köln, überwacht wird es vom TÜV-Nord. Schulz fährt für eine große Spedition die Standorte in Mönchengladbach, Peine und Osnabrück an.

Die Aufregung hat sich inzwischen gelegt, unbeantwortet bleibt jedoch unter Deutschlands Verkehrspolitikern die Frage, ob man die Dinger braucht. Außer Niedersachsen testen auch Baden-Württemberg, Bremen und Nordrhein-Westfalen die Riesenlaster.

Walter Hirche, der niedersächsische Verkehrsminister, zeigt sich schon jetzt von den Ergebnissen der Probefahrten sehr angetan. „Keine nennenswerten Vorkommnisse“ habe der bis zum 31. Juli laufende Testbetrieb bislang ergeben. Stattdessen weist Hirche auf die jüngste VW-Bilanz zum Thema hin. Dort stellte man nach neun Monaten und 138 Riesenlaster-Touren fest, dass 46 Fahrten mit herkömmlichen Lkw eingespart werden konnten. Der Grund: 29.700 Kilometer weniger fielen an, um 18.000 Kubikmeter Kfz-Teile zu transportieren. Der Diesel-Verbrauch konnte damit reduziert werden – von rund 40.000 auf 29.700 Liter. „In Zeiten, in denen alle vom Klimaschutz reden, sollte man auch das berücksichtigen“, sagt Hirche.

Die Abgeordneten im Straßburger Europaparlament sind skeptisch. Mit deutlicher Mehrheit stimmten sie jüngst gleich dreimal gegen eine EU-weite Zulassung der Großtransporter. Den Politikern dürfte dabei klar gewesen sein, was Verkehrsexperten seit langem predigen: Das größte Potenzial, um die stetig steigenden Gütermengen zu befördern, liegt bei der Bahn. Riesenlaster hingegen würden zu einer Transportverlagerung von der Schiene auf die Straße führen. „Wer heute mittels Gigalinern den Transport auf der Straße noch attraktiver macht, verhindert den Aufbau eines umweltgerechten Verkehrssystems“, erklärt Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Wenig schlüssig sei daher das Argument, die 25-Meter-Laster würden das Klima schonen.

Auch deshalb darf man sehr gespannt sein auf die nächste Konferenz der Länderverkehrsminister, die im Oktober über die Zulassung der Laster befinden soll. Nach ihrem letzten Treffen im April konnte man sich in der Sache nicht einigen, zu frisch war eine Studie vom Bundesamt für Straßenwesen (BASt), die Befürwortern und Gegnern gleichermaßen Argumentationshilfe bot. Darin wurden Befürchtungen widerlegt, die Fahrzeuge würden den Straßenbelag schädigen, ihr Bremsverhalten sei gefährlich, auf Autobahnen würden sie zum Stauverursacher. Bestätigt wurde allerdings auch, dass es generell eng für sie wird in Innenstädten und speziell in Kreisverkehren und der gesamte Brückenbestand an Bundesstraßen überprüft werden müsste, sollten die Riesenlaster tatsächlich mit 60 Tonnen Gesamtgewicht unterwegs sein. Außerdem sei für das Überholen eine zusätzliche Sichtweite von 50 Metern erforderlich ist, und die Leitplanken würden einem Aufprall mit einem 60-Tonnen-Laster nicht standhalten.

Hirche reichen die Ergebnisse der Studie nicht; er setzt weiter auf den Praxistest, der nun bis Oktober verlängert werden soll. „Bevor wir neue Vorstöße machen, werden wir den Versuchsablauf mindestens bis zur Verkehrsministerkonferenz im Herbst dieses Jahres aufrechterhalten. In diesem Zeitraum könnte man die Erkenntnisse des BASt mit einbeziehen.“

Der Verkehrsminister Sachsen-Anhalts sieht das anders. „Wir brauchen die Gigaliner nicht“, sagt Karl-Heinz Daehre, der außerdem Vorsitzender der Länderverkehrsministerkonferenz ist. Daehre glaubt nicht daran, dass man die Riesenlaster nur für die Autobahn wird zulassen können, andere Straßen hält er für die Fahrzeuge für ungeeignet. Dennoch fahren die Riesen-Lkw auch schon in Sachsen-Anhalt: Ein Teil der A2 wurde dort für den Test der Niedersachsen freigegeben. TAREK CHAFIK