Auf Thumby

In Schnarup-Thumby gibt es keinen Bäcker oder Kaufmann, dafür aber eine Fußball-Arena. Dort wird gerade bewiesen, dass Dorffußball auch ohne finanzstarke Mäzene ganz groß rauskommen kann

VON RALF LORENZEN

Bis vor kurzem führte das 600-Seelen-Dörfchen Schnarup-Thumby im nördlichsten Zipfel Schleswig-Holsteins ein eher beschauliches Dasein. Obwohl Blödelcomic-Zeichner Brösel seinen „Werner“ mitunter durch den Ort kesseln lässt, fungiert er im Landesstudio des NDR lediglich als Krücke für die Qualitätskontrolle: „Glaubst du, dass das in Schnarup-Thumby jemand versteht?“, wird schon mal ein Autor gefragt. Einen größeren Bekanntheitsgrad genoss der Ort lediglich in Berlin-Friedrichshain, wo ein Jugendtreff nach ihm benannt ist, seit ein paar Autonome auf dem Weg nach Dänemark das subversive Potenzial in dem klangvollen Namen entdeckten.

Doch seit der letzten Saison in der Bezirksoberliga Nord ist alles anders. Der kleine Fußballplatz im Herzen des Ortes, eingeklemmt zwischen Schule, Pastorenwäldchen und Kuhweide, ist zur Kult-Arena im schleswig-holsteinischen Fußball geworden. Bei jedem Heimspiel des Angeln 02 ist das Dorf komplett zugeparkt und der Zuschauerschnitt von über 200 wird selbst in höheren Klassen kaum erreicht. Spätestens seit die Schleswiger Nachrichten den Patz in Thumby-Arena umtauften, ist es im Landkreis angesagt, „auf Thumby“ zu gehen.

„Die Stimmung hier ist einfach leidenschaftlicher als anderswo“, sagt Matthias Schwennsen, der direkt neben dem Platz in der alten Schule wohnt, in der schon seit Jahrzehnten nicht mehr unterrichtet wird. So einen Hexenkessel sind die Gastmannschaften nicht gewohnt und obwohl die nicht mehr Kopperby und Gammelund heißen, sondern Schleswig 06 und TSB Flensburg, blieb der Aufsteiger zu Hause ungeschlagen.

Und das schönste: Das kleine Fußballwunder ist keine künstliche Erfindung eines geltungssüchtigen Mäzens wie andernorts, sondern aus der Not geboren. Einigen kleinen Vereinen in der Region Angeln zwischen Schlei und Flensburger Förde fiel es immer schwerer, Mannschaften auf die Beine zu stellen. „Und dann gab es diesen sehr guten Jahrgang 1984/85. Für den wollten wir eine Perspektive schaffen, damit die nicht auch nach Flensburg oder Schleswig abwandern“, sagt Senioren-Obmann Henning Stüber. So schlossen sich die Vereine TSV Böel-Mohrkirch, Borener SV, TSV Schleiharde und SG Thumby im Jahr 2002 zum FC Angeln 02 zusammen.

Der gelobte Jahrgang stieg gleich in die A-Jugend-Verbandsliga auf, wechselte komplett in den Seniorenbereich und marschierte in zwei Jahren von der Kreisliga in die Bezirksoberliga durch. Der Altersdurchschnitt von knapp über 20 ist nicht nur einmalig in der Liga, sondern auch ein Grund für die große Identifikation mit der Mannschaft. „Das ist Fußball auf dem Dorf“, sagt Henning Stüber und in seiner Stimme schwingt ganz viel Stolz mit.

Stolz sind die Angeliter aber nicht nur auf ihr Flaggschiff, sondern auch auf die erfolgreiche Jugendarbeit von der A- bis zur G-Jugend. „In jeder Altersstufe bieten wir eine Leistungsmannschaft und eine Spaßmannschaft“, sagt Matthias Schwennsen, der Co-Trainer der B-Jugend. Die in der Verbandsliga spielende A-Jugend hat an diesem Wochenende beim größten Jugendturnier der Welt im schwedischen Göteborg gerade für den bislang größten Erfolg in der jungen Vereinsgeschichte gesorgt. Im B-Finale des Gothia-Pokals besiegten die Jungs aus dem Stammland der Angel-Sachsen den Memphis FC mit 4 : 1.

Die ehemaligen Platzhirsche in Angeln betrachten die neue Attraktivität ihres aufstrebenden Nachbarn mit gemischten Gefühlen. Allein aus Kappeln und Umgebung kicken inzwischen 60 Spieler aller Altersklassen bei Angeln 02. „Gute Jugendarbeit zahlt sich eben aus“, so Henning Stüber. Und die muss auch außerhalb des Platzes geleistet werden. „Hier ist die Arbeit auf ganz viele verteilt. Ich mache die Fotos, andere das Stadionheft oder die Internetseite. Und nirgendwo geht es um das blöde Geld,“ berichtet Julian Thielsch, der inzwischen zwar lange in Schleswig wohnt, aber seinem Dorfverein treu bleibt.

Doch auch in der heilen Fußball-Welt auf dem Lande gibt es ehrgeizige Ziele: „Einmal in der Kieler Ostseehalle beim Hallen-Masters spielen“ – davon träumt Henning Stüber. Dafür muss die Mannschaft sich in der nächsten Saison aber erst mal für die neu gestaltete Verbandsliga qualifizieren, der dann höchsten Klasse des Landes. Wenn das klappt, geht’s gegen Holstein Kiel – und die Koppel neben der Arena muss wohl dran glauben.