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Archiv-Artikel

Auf dem Weg zum Säulenheiligen

KNIPSER Seitdem Eintracht Frankfurts Stürmer Alex Meier weniger läuft, trifft er nach Belieben und führt nun die Torschützenliste an

FRANKFURT taz | Zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass die Eintracht Frankfurt Fußball AG in enger Abstimmung mit der Verkehrsgesellschaft Frankfurt dazu aufgerufen hatte, die „Säulen der Eintracht“ zu wählen. Es ging darum, welche elf Spieler in der U-Bahn-Station Willy-Brandt-Platz, dem unterirdischen Drehkreuz im Bankenviertel, an ausgesuchten Säulen überdimensional abgebildet werden. Über 15.000 Menschen beteiligten sich damals, und seitdem können Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski, Alexander Schur und Uwe Bindewald, Bum-Kun Cha oder Anthony Yeobah vom Bahnsteig bestaunt werden.

Würde heute die Prozedur wiederholt, das Ergebnis fiele zumindest auf einer Position anders aus: Dann wäre auch Alex Meier dabei. Zu imposant ist seine derzeitige Bilanz. Öfter als er traf niemand in dieser Bundesligasaison. Zehn Mal war er bei nur 13 Einsätzen erfolgreich. Die Aufnahmebedingungen zum Eintracht-Säulenheiligen, mindestens 100 Pflichtspiele oder vier Jahre Zugehörigkeit zum Verein, einen sportlich wie charakterlich prägenden Einfluss, hatte der 1,96-Meter-Mann, seit 2004 bei der Eintracht, 282 Erst- und Zweitligaspiele, 92 Tore, 42 Torvorlagen, auch im Frühjahr 2012 erfüllt. Doch damals mühte sich die Eintracht in der zweiten Liga ab. Die Idole der Vergangenheit standen höher im Kurs.

Dass der scheue Meier auch dieses Wellental mitmachte – und 17 Treffer zum Wiederaufstieg beisteuerte –, war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Alex Meier, in Buchholz in der Nordheide geboren, vom HSV zur Eintracht gekommen, ist das Gesicht der Mannschaft. Fast jedes zweite verkaufte Trikot wird mit seinem Allerweltsnamen beflockt. Und wenn wie nun beim 5:2 am Sonntag gegen Werder Bremen der nie für die Nationalelf nominierte Meier zweimal als Torschütze ausgerufen wird, tönt ein „Fußballgott“ hinterher. Seit einem Jahrzehnt schon ist die Nummer 14 die Identifikationsfigur von Eintracht Frankfurt; er ist ein Spieler, „für den es sich lohnt jeden Tag im Büro zu arbeiten“, sagte Heribert Bruchhagen einmal. Nun legte der Vorstandschef nach: „Immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu sein – diese Eigenschaft hat nicht jeder.“ Der Boss darf sich bestätigt fühlen, dem Profi im Sommer einen Dreijahresvertrag gegeben zu haben, der den bald 32-Jährigen zum Topverdiener gemacht hat. Umso erstaunter reagierten alle, als der neue Trainer Thomas Schaaf zu Saisonbeginn keine richtige Verwendung für seinen zugegebenermaßen angeschlagenen Torgaranten hatte. Weder im Pokal noch in den ersten drei Bundesligaspielen stand Meier in der Startelf. Meier schluckte seinen Unmut hinunter, das entsprach am ehesten seinem Naturell.

Die Irritationen sind längst ausgeräumt, seitdem der frühere „Mittelfeldstürmer“ eine neue Rolle angenommen hat („Ich hole mir die Bälle nicht mehr hinten ab“). Der zehnfache Torschütze bildet mit dem fünfmal erfolgreichen Schweizer Haris Seferovic ein Sturmduo, das unterschiedlicher kaum sein könnte. Der eine nimmt oft am Spiel gar nicht richtig teil – Schleicher Meier begnügte sich auch gegen Werder mit lediglich 24 Ballkontakten. Der andere geht überallhin, wo es wehtut. „Ich bin der Normale, er der Verrückte“, erklärt Meier.

Der Höhenflug der Hessen soll am Freitag in Hoffenheim fortgesetzt werden. Schaaf glaubt ja, dass das spielerische Potenzial der Seinen sich noch gar nicht entfaltet hat. Mit Meiers Vorstellungen ist er unterdessen zufrieden: „Es ist seine allergrößte Qualität dort zu stehen, wo die Kugel hinkommt.“ Wo soll das noch hinführen? In der Bankenstadt diskutiert man bereits, ob es ihr Klub in den Europapokal und ihre Ikone zum Torschützenkönig bringen könnten. Auf letztere Frage pflegt Meier zu antworten: „Das wird ein Spieler vom FC Bayern.“ Trotzdem: Sein Vorsprung auf Mario Götze beträgt drei, auf die Troika Robert Lewandowski, Arjen Robben und Thomas Müller vier Tore. Meiers Bestwert in der Bundesliga liegt bei 16 Treffern aus der Spielzeit 2012/2013 – damit schoss er Frankfurt in die Europa League. Torschützenkönig war er zwei Spielzeiten früher. Aber eben nur in der zweiten Liga. Und das hat nicht fürs Abbild an einer U-Bahn-Säule gereicht.FRANK HELLMANN