Blaue Dollars aus Amsterdam

Fünf Nigerianer aus Bremen sollen mit haarsträubenden Geschichten fast eine Million Euro erbeutet haben. Seit 13 Monaten sitzen sie in U-Haft. „Viel zu lange“, sagt ihr Anwalt – das Gericht verhandele zu langsam, so der Vorwurf

Für einem Immobilienmakler gehört eine gewisse Umsichtigkeit zum Geschäft. Sollte man meinen. Makler Reinhard M. aus Dortmund tut sich damit offenbar etwas schwer. Als ihm völlig Fremde per Mail eine Immobilieninvestition über 30 Millionen Dollar anboten, wurde er nicht misstrauisch. Stattdessen zahlte er 267.575 Euro „Bearbeitungsgebühr“ auf Konten ein oder trug sie in Koffern nach Amsterdam – und sah nie einen Cent wieder.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Bremen ist M. Opfer der deutschen Dependance einer nigerianischen Betrügerbande. Fünf Nigerianer stehen seit Februar diesen Jahres vor Gericht, weil sie etwa 90 Personen aus Europa und Nordamerika um 928.000 Euro geprellt haben sollen. Die Anklage listet 45 Einzelvorwürfe auf. Während der bisher 31 Prozesstage sind davon zwei anverhandelt worden.

Die Tricks, die angewendet worden sein sollen, sind alt: Da geht es etwa um bare Erbschaften unbekannter Verwandter, bei denen noch Dollarnoten „decodiert“ werden müssten. Oder hohe Lotteriegewinne aus Spanien, für die keine Lose gekauft worden sind. Oder „risikolose“ Finanz-Deals mit Millionen Rendite. Alles, versteht sich, nach Zahlung von „Bearbeitungsgebühren“.

Unter denen, die nicht widerstehen konnten, sind erfolgreiche Geschäftsleute aus den USA oder Taiwan. Sie reisten mit Schecks oder Bargeldkoffern in ein Büro an der Bremer Schlachte oder in Amsterdamer Hotels – und zahlten. Im besten Fall erhielten sie als Gegenleistung einen ungedeckten Scheck oder bekamen einen Koffer mit eingefärbtem Geld gezeigt. Viele der Geschädigten zahlten auch ein zweites, drittes und viertes Mal.

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen fünf Nigerianer als Täter ausgemacht haben. Sie sollen als verlängerter Arm von Komplizen aus Nigeria operiert haben, die die Betrügereien eingeleitet hätten. Seit Juni 2006 sitzen sie in Untersuchungshaft. Vier der Beschuldigten, die alle Vorwürfe bestreiten, sind nicht vorbestraft und haben in Bremen Frau und Kinder.

Der Bremer Anwalt Jan Lam vertritt einen der Beschuldigten. Ihn erbost, dass sein Mandant weiter in Untersuchungshaft bleiben soll. „Bisher verhandelt das Gericht an durchschnittlich 1,2 Tagen pro Woche. Wenn das so weitergeht, dauert das Verfahren sieben Jahre.“ Angesichts der zu erwartenden Strafen sei es unverhältnismäßig, die Angeklagten weiter in Haft zu halten. Wegen der familiären Bindungen bestehe keine Fluchtgefahr. Die lange Verfahrensdauer ergebe sich aus den „schlampigen“ Ermittlungen der Polizei. „Die Vorwürfe sind überhaupt nicht erschöpfend ermittelt worden. Das muss jetzt alles zeitraubend in der Hauptverhandlung nachgeholt werden“, so Lam.

Jörn Hauschild von der Staatsanwaltschaft Bremen weist den Vorwurf zurück. „Natürlich sind die Ermittlungen abgeschlossen worden, bevor wir angeklagt haben.“ Einen Antrag auf Haftentlassung hat das Oberlandesgericht Hamburg abgelehnt. Das zu erwartende Strafmaß liege bei drei Jahren, erst danach sei die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt, so die Richter. Anwalt Lam kann dies nicht nachvollziehen: „Die Strafe soll verbüßt werden, noch bevor die Beweisaufnahme abgeschlossen ist.“

Die zuständige Kammer war gestern nicht zu erreichen: Sie ist derzeit geschlossen im Urlaub.

Christian Jakob