… DAS KIND VON HEUTE?
: In Bälle kriechen

Wer mit einem lebhaften achtjährigen Mädchen über ein durchschnittliches Berliner Straßenfest geht, wird alle paar Meter mit den Auswüchsen professionalisierter Kindsbespaßung konfrontiert. Der neueste Schrei in dieser kalten – und mindestens 5 Euro teuren – Welt sind „Fun Balls“. „Willst du da auch noch rein?“ Das Kind hört diese Frage schon gar nicht mehr, weil es sich längst zu dem routinierten Abzocker, dem Fun-Ball-Mann, durchgedrängelt hat. Klar will es da rein. Sofort.

Die Fun-Ball-Welt sieht so aus: Auf dem Breitscheidplatz steht ein von Gummiwürsten begrenztes, mit trübem Wasser gefülltes Bassin. Darin schwimmen Kugeln aus durchsichtigem Kunststoff, vielleicht zwei Meter im Durchmesser. Und in jeder Kugel tobt ein Kind. Steht auf, läuft kreischend ein paar Schritte, fällt hin. Und von vorn. Und noch mal. Und, jaaa, noch mal richtig dolle. Tja, so ist das. Manchmal spritzt trübes Wasser, manchmal bumsen Kugeln aneinander.

Man hat dann neun Minuten Zeit nachzudenken, so lange dauert der Riesenspaß. Ein bisschen erinnert das an euphorisierte Hamster mit Sauerstoff-Flash (der Fun-Ball-Mann pustet die Kugel mit einem Laubsauger auf). Und sind die Fun Balls nicht eine Metapher für unsere individualisierte Welt? Fürs Internet gar? Jeder tobt allein für sich und kommt nicht zum anderen? Es habe echt Angst gehabt zu ersticken, sagt das Kind, als es wieder draußen ist. Die 5 Euro hat der Fun-Ball-Mann natürlich vorher kassiert. US Abb.: Archiv