EIN LACHENDER BUDDHA ALS ERINNERUNG AN EINEN BESUCH
: Erkundungen ohne Worte

Nebensachen aus Delhi

VON GEORG BLUME

Mein Vater feierte neulich in Hannover seinen 90. Geburtstag. Aus Indien brachte ich ihm das Geschenk unserer Haushälterin in Delhi mit: einen lachenden Buddha. Er steht jetzt in Hannover auf dem Fernseher.

Mein Vater hatte sich vergangenen Herbst noch einmal aufgemacht, Indien zu entdecken. Eine ganze Weile aber musste er bei uns zu Hause pausieren, weil sein Magen nicht mitspielte. Delhi-Belly nennt man diese Krankheit. In dieser Zeit lernte er unsere Haushälterin Geeta kennen. Sie kochte ihm einmal am Tag Gemüsebrühe. Er leistete ihr bei ihrer Arbeit Gesellschaft. Sie konnten sich in keiner Sprache verständigen, aber das machte nichts. „Ich habe schon viele ausländische Gäste als Haushälterin versorgen müssen, aber ich habe mit keinem so viel gelacht wie mit deinem Vater“, sagte mir Geeta später. Deshalb schenkte sie ihm den lachenden Buddha zum Geburtstag.

Mein Vater ging in seiner Zeit in Delhi viel in unserer Nachbarschaft spazieren, und obwohl er kein Englisch spricht, machte er sich bei Hauswächtern, Fahrern, Putzfrauen und Bauarbeitern bekannt. Das ist seine Art. Er kann das auch ohne Worte. So nahm er Kontakt mit den Arbeitern und Angestellten der Nachbarschaft auf, die für uns bis dahin oft schwer erreichbar waren. Denn wir leben in Delhis besseren Quartieren in einer Parallelgesellschaft: Hier Hausbesitzer, reiche Mieter und Ausländer, dort das zahlenmäßig viel größere Hauspersonal samt Bauarbeitern, die oft für Monate in der Straße kampieren. Meist grüßen sich beide Seiten nicht einmal, obwohl man sich täglich über den Weg läuft. Der Haushälter unseres Vermieters ist so einer, der nie grüßt. Aber er wird auch den ganzen Tag nur angeschrien. Das verpestet manchmal die Atmosphäre im ganzen Gebäude. Geeta ist dann sauer auf den Haushälter, mit dem sie sich absprechen muss, und doppelt sauer auf den Vermieter, der ihrem Gegenüber dumme Anweisungen gibt.

Doch seit mein Vater in Delhi war, grüßen mich viele in der Straße freundlicher – als hätten sie mich erst durch ihn wahrgenommen. Sie kommen auf mich zu, fragen mit wenigen englischen Worten, wann er wiederkommt. Das tut gut. Unser kleiner Kaufmann um die Ecke war kürzlich sogar in Tränen aufgelöst, als er mich sah: Sein 94-jähriger Vater sei gerade gestorben, und wenn er mich sehe, würde er nun immer an meinen rüstigen Vater denken müssen.