Späte Lust auf alberne Sportwagen

Quentin Tarantino und Zoë Bell kamen in die Kulturbrauerei, um die verspätete Premiere von „Death Proof“ zu feiern. Noch später ging’s zur Party in die Bar 25 – mit Wildschwein, Wodkarutsche und Küssen auf Kommando

Die Augen schön glupschig aufreißen, den Mund öffnen, als würden gleich Schokokugeln durch die Luft fliegen – so also post man richtig. Dann können die Fotografen ihre Bilder schießen und hören vielleicht auch mal auf, peinlich „Heike, Heike“ zu rufen. Nachdem Frau Makatsch ihr Gesicht abgeliefert hat, kommt erst mal niemand. Oder Semipromis wie Ärzte und Loftmanager Axel und Moritz Rinke nebst Girlie. Die kennen die Fotografen nicht. Wo bleibt der angekündigte Mehmet Scholl von Bayern München? Wo ist die coole Anneke Kim Sarnau? Wo Peaches? Dann kommt Herr Krol: „Joachim!“

Normalos können das Kino jetzt eigentlich nur noch durchs Klo des Restaurants Queso y Jamón erreichen. Tarantino ist immer noch nicht da, nur ein hässliches Film-Auto steht schon neben dem Teppich. Dann kommen Tarantino und eine Frau im goldgelben Kleid. Das ist die Stuntfrau Zoë Bell, die später auf der Leinwand zu sehen sein wird, wie sie bei mehr als 100 Sachen vorn auf einem Auto rumklettert und sich vom Fahrtwind liebkosen lässt. Schade, dass Badguy Kurt Russell alias Stuntman Mike nicht zur verspäteten Premiere von „Death Proof“ eingeladen ist.

„30 Cent, ich kriege noch 30 Cent!“, ruft der Klomann vom Queso y Jamón zwei aufgetakelten Fregatten hinterher, ich glaube, mit spanischem Akzent. Im Kino passiert dann lange nichts, dann bricht der Vorspann weg, und einige pfeifen oder johlen. Jetzt ist der große Moment für Tarantino da. Er nutzt die Pause, um aufgeregt und in großer Pose das Konzept von Grindhouse zu erklären: „Früher hatten die Filme nur ein paar Kopien, nicht tausende, und die liefen dann wochenlang im selben Kino. Die Projektoren brannten Löcher ins Material, Vorführer schnitten sich Nacktszenen raus, die Reihenfolge der Spulen geriet durcheinander.“ Heutzutage muss Tarantino diese Schäden aufwändig selbst in seinen Film einfügen. Analoge Helden haben’s nicht leicht. Bei „Death Proof“ wurde kein Bild am PC manipuliert. „Was nicht ging, ging nicht.“ Dafür ging dann aber doch erstaunlich viel in diesem ziemlich geilen Film.

Vor der späten Berliner Premiere hat der Verleih Tarantino schon auf den Nürburgring zur Formel 1 geschleppt. Jetzt darf er noch auf die Filmparty in der Bar 25 an der Spree. Die Fotografenmeute ist schon da und angelt sich mit den Fingern große Stücke Wildschwein vom Grill. Alle möglichen Red-Bull-Mixgetränke werden angeboten. Die Promis werden in Audi-Limousinen angekarrt, die – ziemlich albern – mit dem Todesmotiv von Stuntman Mikes Wagen versehen sind. Zoë und Quentin werden von Bodyguards verfolgt, dabei würde man der Stuntfrau doch zutrauen, fast jeden hier zusammenprügeln zu können, wenn sie ihre hochhackigen Schuhe auszöge.

Ein Feuerschlucker pustet Flammen auf dem Dach einer Holzbar, man tunkt Erdbeer-Marshmallow-Spieße in Schokosoße. Eine Wodkarutsche wird später Menschen dazu treiben, ihre Zungen an zwei langen Eisblöcken lecken zu lassen und sich auf Kommando zu küssen. Tarantino ist um halb zwei immer noch da, die deutsche Promischaft zum Glück großteils gar nicht erst aufgetaucht. Jetzt hätte man Lust, statt mit dem Rad mit einem albernen Sportwagen nach Hause zu donnern.

ANDREAS BECKER