Musik als Leistungssport

Im Sport ist das ja so: Da kommen die Jungen, können schneller und länger rennen, aber die Alten haben dafür ihre Erfahrung angesammelt, mit der sie eine Zeit lang noch gegenhalten können, bis sie dann endgültig abtreten müssen. In der Musik ist das – zum Glück für die älteren Semester – nicht so unausweichlich, aber in einigen Genres gibt es doch Parallelen zum Hochleistungssport. Erst recht in der Welt der elektronischen Beats, die zumindest traditionell originär auf körperliche Wirkung programmiert wurden.

Cristian Vogel ist zweifellos ein Altmeister der elektronischen Musik, vielleicht gar der Diego Maradona seiner Zunft. Einer, der als Solist und zusammen mit Jamie Lidell als Super_Collider das Spiel radikal erneuerte. Aus profaner Dienstleistung für Tanzende wurde – daran hatte der in Chile geborene und in England aufgewachsene Vogel entscheidenden Anteil – avantgardistische Kunst. Neuerdings lebt Vogel nach langen Jahren in Barcelona wieder in Berlin, das sein ehemaliger Co-Musiker Lidell schon vor einigen Jahren verlassen hat. Sein neues Album „Polyphonic Beings“ ist lange nicht so radikal wie sein Frühwerk, aber immer noch kantig und schräg, nur in Ausnahmefällen tatsächlich tanzbar. Unzugängliche Klangwelten, sich überlagernde Rhythmen, schattenhafte Sounds aus womöglich glücklicheren Tagen, Mut zur Monotonie und keine Angst vor Untiefen. Vogel zeigt den Jungen noch mal, dass er immer noch ein paar überraschende Körpertäuschungen drauf hat, um Erwartungshaltungen ins Leere laufen zu lassen.

Parra For Cuva klingt dagegen auf seinem Debutalbum „Majoré“ bereits wie vor der Zeit gealtert. Die Rhythmen schlürfen gemütlich daher, die Atmosphäre knistert wie klassisches Jazz-Vinyl, die Fetzen geschmackvoller Frauenstimmen fliegen vorbei und die Stimmung schreit nach einem Glas gepflegtem Rotwein vorm Kamin. Nicalos Demuth, der sich hinter dem Pseudonym verbirgt, stattet die Chill-out-Zone nicht eben mit avantgardistischem Mobilar aus, aber tatsächlich hat man schon lange nicht mehr so gemütlich gesessen. Allerdings, wenn man noch einmal die Sport-Analogie bemühen will: Ein Befreiungsschlag ist „Majoré“ nicht eben, auch kein stürmischer Angriff auf alteingesessene Hörgewohnheiten, aber doch sehr solide Abwehrarbeit, der überaus gelungene Soundtrack fürs Auslaufen nach dem großen Spiel.

THOMAS WINKLER

■ Cristian Vogel: „Polyphonic Beings“ (Shitkatapult/Morr Music)

■ Parra For Cuva: „Majoré“ (Lenient Tales/Zebralution), Konzert am 17. 12. im Prince Charles