hamburger szene
: Hinter Glas

Zitternd stehe ich hinter der roten Markierungslinie. Gleich bin ich dran und dann, ja dann wird sie wenig von mir übrig lassen. Noch ist die füllige Frau hinter der Glasscheibe allerdings mit einem anderen Opfer beschäftigt. „Nein, nein, nein“, schreit die Mittfünfzigerin mit den Pudelhaaren durch das Fenster, wobei ihre Lesebrillenkette wackelt.

„Damit können Sie gleich wieder gehen – wir verkaufen doch hier keine Pfennigartikel.“ Der junge Mann an Schalter 2 des HVV-Kundenzentrums im Hauptbahnhof zuckt etwas eingeschüchtert mit den Achseln. Vor ihm liegen mehrere Ein- und Zweicentstücke. „Wieso denn? Das ist doch alles passend“, sagt er kleinlaut in Richtung Glasscheibe und geht schon mal vorsichtshalber einen Schritt zurück.

Mein Herz pocht, die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Ein lautes Schnaufen reißt mich aus der Erstarrung. „Wir sind hier doch nicht in einem Ramschladen“, knurrt sie ihren Kunden an. Wortlos packt dieser seine Münzen ein und verlässt die Verkaufsstelle. Nun bin ich an der Reihe. Noch vor zehn Minuten wollte ich, eine Neuhamburgerin, eine Monatskarte kaufen. Ohne Ahnung von den hiesigen Zonen und Tarifen, komplett der Willkür der HVV-Dame ausgeliefert.

Langsam übertrete ich die rote Markierung. Die rechte Hand verkrallt sich im Lederportemonnaie. Das enthält die einzige Waffe, die ich dieser Frau entgegenzusetzen habe: Großgeld. UTA GENSICHEN