Christdemokratisches Ökostromchaos

Senat sagt, er wolle mehr sauberen Strom für öffentliche Einrichtungen. Dabei ist der Liefervertrag mit Vattenfall gerade mal drei Wochen alt. Gefragt ist nun ein Ausweg aus dem juristischen und klimapolitischen Dilemma

Ein „Klima-Chaos“ hat der grüne Umweltpolitiker Christian Maaß bei Senat und CDU ausgemacht. Beiden warf er gestern „Konzeptionslosigkeit“ und eine „krasse Bevorzugung von Vattenfall“ gegenüber Anbietern von Ökostrom vor. Es sei nicht auszuschließen, dass diese Hamburg verklagen würden.

Grund ist die neue Idee des CDU-Umweltpolitikers Rüdiger Kruse, alle öffentlichen Einrichtungen der Stadt so schnell wie möglich nur noch mit Strom aus regenerativen Energiequellen zu versorgen. Dafür habe er die Unterstützung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Erst vor drei Wochen jedoch hatte der Senat mit Vattenfall einen neuen Drei-Jahres-Vertrag über Stromlieferungen abgeschlossen. Und der sieht nur einen Ökostrom-Anteil von 25 Prozent vor.

Jetzt soll möglicherweise mit Vattenfall neu verhandelt werden, dringt es aus dem Rathaus. Möglich sei die schrittweise Erhöhung des Ökostromanteils sowie der Kauf sogenannter grüner Zertifikate. Das würde bedeuten, dass Hamburg zwar weiterhin vorwiegend mit Atom- und Kohlestrom beliefert, Strom aus regenerativen Quellen aber in gleicher Menge in das Netz eingespeist wird.

Ein Problem dabei ist die Landeshaushaltsordnung: Die lässt es formell eigentlich nicht zu, dass die Stadt für „grünen“ Strom mehr Geld ausgibt als sie für konventionell erzeugten ausgeben müsste. Zudem weist Maaß nun darauf hin, dass dadurch die Ausschreibung im Nachhinein geändert würde.

Eben diese Ausschreibung hatte der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick überhaupt erst vor Gericht einklagen müssen. Denn unrsprünglich wollte der Senat den bestehenden Vertrag mit Vattenfall stillschweigend verlängern. Bei der Auftragsvergabe im Juni erhielt der Atomkonzern dennoch den Zuschlag, weil sein Angebot das günstigste war – aber da war von 100 Prozent Ökostrom auch noch keine Rede. Damit seien Anbieter von Strom aus regenerativer Erzeugung „benachteiligt worden“, sagt Maaß nun. Das sei „rechtlich hoch problematisch“ und würde zu Klagen vor Gericht „geradezu einladen“.

Juristisch fragwürdig und klimapolitisch unsinnig sei zudem der eventuelle Kauf von Zertifikaten, befindet Maaß ebenso wie SPD-Parteichef Ingo Egloff. Der hält das für eine „Mogelpackung“. Wer mit Verschmutzungszertifikaten „einen Atomstrom-Ablasshandel betreiben will, entlarvt sich selbst“. Der Senat müsse sich endlich zu regenerativen Energien bekennen und auf Öko-Strom umstellen, forderte Egloff. Der laufende Vertrag mit Vattenfall sei entsprechend nachzuverhandeln und von der Forderung Abstand zu nehmen, dass die AKW-Laufzeiten verlängert werden müssten. Sven-Michael Veit