Hannovers Meisterdieb bleibt unbekannt

Nach einem Millionen-Kunstraub im Kestner-Museum in Hannover ist gestern ein 27-Jähriger zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt worden. Er habe die Kunstobjekte nicht gestohlen, sagt der Verurteilte. Sondern auf dem Parkplatz gefunden

Kunstraub, das klingt nach mondänen Geschichten. Nicht nur, weil die Filmemacher in Hollywood so gerne grauhaarige Meisterdiebe in gewiefter Weise Alarmanlagen überwinden lassen. Auch, weil der Kunstraub in so vielfältiger Form vorkommt: Da gab es jüngst etwa den Einbruch in die Pariser Privatwohnung von Picassos Enkelin Diana Widmaier-Picasso. Damals entwendeten die Räuber zwei Picasso-Gemälde mit einem Schätzwert von 50 Millionen Euro. Oder den spektakulären Raub von Edward Munchs „Der Schrei“, bei dem zwei bewaffnete Männer während der Öffnungszeiten das Munch-Museum in Oslo stürmten und die Gemälde von der Wand rissen. Oder, deutlich leiser im bescheideneren Hannover, die Geschichte mit der Magazin-Tür im hannoverschen Kestner-Museum: Man hatte vergessen, sie abzuschließen. Nachher fehlten vier mittelalterliche Kunstwerke mit einem Gesamtwert von über einer Million Euro. Der Täter wurde mittlerweile gefasst und gestern vom Amtsgericht Hannover zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt.

Passiert ist der Raub Mitte Februar diesen Jahres: Im Kestner-Museum wurde gerade umgebaut, weswegen die Museumsmitarbeiter diverse Kunstgegenstände in einem Not-Magazin unterbringen mussten. An jenem Nachmittag besuchte nun der 27-Jährige M. das Museum, nach seiner Aussage aus zwei Gründen: „Ich hatte Kopfschmerzen und bin aus Langeweile in mehreren Museen gewesen.“ Das unverschlossene Magazin spielte für M. also keine Rolle.

Vielmehr, so M., habe er auf dem Parkplatz vor seinem Auto eine Plastiktüte gefunden. Darin hatten sich befunden: Eine Bernsteinmadonna aus der Welfen-Sammlung im Wert von einer Million Euro, ein Holztriplychon (5.000 Euro), ein Reliquienfläschchen (5.000 Euro) und ein Tonbecher (10.000 Euro). M. beteuerte, er habe nicht geahnt, dass die Kunstobjekte gestohlen sein könnten. Aber ihr Wert war M. nicht ganz unbekannt: Er versuchte, drei der Gegenstände bei einem Hamelner Kunsthändler und einer Internetagentur zu verkaufen. Der Tonbecher aber sei in der Tüte sofort zerbrochen, worauf M. ihn weggeschmissen habe.

Aufgeflogen ist M., da der Kunsthändler aus Hameln Verdacht schöpfte. Dieser signalisierte Interesse, entdeckte dann an der Bernsteinmadonna einen Archivierungsaufkleber des Kestner-Museums und alarmierte die Polizei. Dadurch erfuhr auch das Kestner-Museum von dem Raub, der den Museumsmitarbeitern bis dahin gar nicht aufgefallen war – was damit zu tun haben mag, dass das Museum über 100.000 Kunstschätze des Alten Ägyptens, der Antike und des Mittelalters verfügt.

Beim gestrigen Prozess konnte die Polizei nicht nachweisen, dass M. die vier Objekte gestohlen haben könnte. Schuldig gesprochen wurde M. aber wegen Unterschlagung der vier Exponate. Nach Überzeugung des Richters hatte der Angeklagte das „Geschäft unbedingt durchziehen wollen“. Er habe nicht etwa die Polizei informiert, sondern mit großem Aufwand versucht, die Gegenstände zu verkaufen. Dennoch sei die Geldstrafe „die denkbar mildeste Form eines Urteils“, sagte der Richter. KLI