Massenflucht aus Libyen nimmt weiter zu

MITTELMEER Auf der italienischen Insel Lampedusa landen am Wochenende erneut 2.000 afrikanische Flüchtlinge aus Libyen. Auch auf Sardinien und Kreta kommen Flüchtlinge an. Jeder 17. stirbt unterwegs

Libyens Innenminister landet mit neun Angehörigen auf dem Flughafen in Kairo

BERLIN/ROM/KAIRO/TUNIS taz/afpdapd | Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa sind am Wochenende erneut rund 2.000 Flüchtlinge aus Libyen gelandet. Allein am Samstag kamen nach Berichten von Nachrichtenagenturen ein Dutzend Boote mit 1.600 Passagieren, darunter rund 100 Frauen und 40 Kinder, unter ihnen drei Neugeborene. Am Sonntag entdeckte die italienische Küstenwache zwei weitere Boote mit mehreren hundert Insassen. Die Nationalität der Flüchtlinge wurde nicht bekannt gegeben, aber bislang sind es fast ausschließlich schwarzafrikanische Migranten, die auf der Flucht vor dem Krieg in Libyen auf überfüllten und oft fahruntauglichen Booten in See stechen.

Weil auf Lampedusa kaum noch Platz ist, versuchen die italienischen Behörden jetzt, die Flüchtlinge gleich nach Sizilien zu bringen oder aber an das Nachbarland Malta weiterzugeben. Dies stößt auf den Widerstand Maltas, wie die Times of Malta am Montag berichtete. Am Samstagabend habe die italienische Küstenwache ein Holzboot mit 300 Insassen im Meer zwischen Libyen und Lampedusa gefunden und die Flüchtlinge aufgenommen, die dann auf das südlich von Lampedusa kreuzende italienische Kriegsschiff „Borsini“ gebracht worden seien. Die italienischen Behörden hätten die „Borsini“ dann am Sonntagmorgen angewiesen, Malta anzusteuern, weil Lampedusa aufgrund der zahlreichen Landungen vom Vortag nicht sicher sei. Maltas Behörden hätten dies verweigert, das Kriegsschiff sei dann weiter Richtung Sizilien gefahren.

Mit den neuesten Anlandungen dürfte die Zahl fliehender Afrikaner aus Libyen, die auf Lampedusa lebend angekommen sind, rund 24.000 erreicht haben. Nach Kalkulationen des in Italien basierten Flüchtlingshilfsnetzwerks Fortress Europe sind dieses Jahr bereits 1.931 Boat People aus Nordafrika im Mittelmeer ertrunken; 1.674 waren auf dem Weg nach Italien, davon 188 aus Tunesien und 1.486 aus Libyen. Demnach verliere jeder 17. Flüchtling sein Leben.

Lampedusa ist nicht die einzige Mittelmeerinsel, die von Flüchtlingen angesteuert wird. Am Samstag landeten zwei Boote mit 48 Flüchtlingen auf Sardinien. Und am Montag meldete die griechische Küstenwache, sie habe vor dem Strand Gialiskari auf Kreta ein Fischerboot mit 67 Ägyptern aufgegriffen; die Insassen hätten angegeben, aus Libyen zu kommen.

Unterdessen traf der libysche Innenminister Nassr al-Mabruk Abdullah am Montag in Begleitung von neun Familienmitgliedern auf dem Flughafen von Kairo ein. Nach Angaben von Flughafenbeamten sei er mit einer Sondermaschine aus Tunesien gekommen. Abdullah erklärte, es handele sich um einen touristischen Besuch. Zunächst war nicht klar, ob er mit der Absicht nach Ägypten gereist ist, sich von dem Gaddafi-Regime in Tripolis abzusetzen. Von Botschaftsvertretern wurde er nicht empfangen.

Gleichzeitig hieß es aus tunesischen Sicherheitskreisen, dass sich Vertreter von Machthaber Muammar al-Gaddafi und der libyschen Rebellen auf der tunesischen Ferieninsel Dscherba zu Geheimgesprächen getroffen hätten. An den Begegnungen seien mehrere libysche Minister und Sicherheitsvertreter beteiligt gewesen.