Altmeister ohne Perspektive

BOB Nach dem historisch schlechten Abschneiden in der vergangenen Saison will das deutsche Team wieder konkurrenzfähig werden. Die athletisch schwächeren Fahrer werden vom Nachwuchs verdrängt

„Wir haben versucht, alles zu vergessen“

CHEFTRAINER CHRISTOPH LANGEN

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel geändert bei den deutschen Bobfahrern. Mit Francesco Friedrich und Maximilian Arndt, den Weltmeistern im Zweier und Vierer, starten sie am Wochenende in Lake Placid in die nacholympische Saison. Auch bei den Frauen vertritt mit Anja Schneiderheinze eine bewährte Pilotin die Farben des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD). Trotzdem hat sich einiges getan. Ein Neuanfang soll gestartet werden.

„Wir haben versucht, alles zu vergessen“, sagt Cheftrainer Christoph Langen. Auch wenn dies nicht so einfach war. Überall, wo der Coach war, wurde er auf das historisch schwache Abschneiden seiner Piloten bei den Olympischen Spielen in Sotschi angesprochen. Denn seit den Olympischen Spielen 1972 waren die deutschen Bobpiloten stets sichere Medaillenkandidaten. Auf der Bahn in Krasnaja Poljana jedoch gingen sie leer aus. Schon vor Ort wurden die Schwächen analysiert, was nicht schwer war. Die Crews hatten schon nach dem Start Rückstand. Folglich hat’s an der Athletik gehapert. Vor diesem Winter wurden deshalb Mindestzeiten für den Start gefordert. „Die Kriterien für die Weltcup-Qualifikation sind an die Startzeiten gebunden“, erklärt BSD-Generalsekretär Thomas Schwab. „Diese Zeiten sind Standard“, sagt Langen, „diese kann jeder erreichen.“ Oder eben doch nicht. Getroffen hat’s Thomas Florschütz und Cathleen Martini, zwei Altmeister. Beide hatten auf einen Bonus wegen ihrer großen Erfahrung an den Steuerseilen gehofft, müssen aber nun mit 36 bzw. 32 Jahren erkennen, dass sie mit den Jungen nicht mehr mithalten können. Schließlich lässt sich die Zeit, die am Start verloren wurde, in der Eisrinne nicht mehr aufholen.

Die Jungen, das sind zunächst einmal Friedrich und Arndt. Die aktuellen Zweier- und Vierer-Weltmeister haben die geforderten Startzeiten locker unterboten. Dahinter gab es ein heftiges Gerangel. Manuel Machata, der 30 Jahre alte Vierer-Weltmeister des Jahres 2011, kämpfte lange mit den Junioren Nico Walther und Johannes Lochner um den dritten Startplatz. Und verlor knapp. Die schnellere Fahrt im letzten Qualifikationsrennen im Vierer gab den Ausschlag zugunsten des Piloten aus Riesa. „Walther setzte sich, trotz kleiner Fahrfehler, gegenüber Machata durch“, sagte Langen, „im Zweier hätte ich mir jedoch in Hinsicht auf die Startzeiten mehr erwartet.“ Trotzdem fiel Langens Entscheidung zugunsten von Walther. Auch wegen der Perspektive. „Ich gebe mit Blick auf die kommenden vier, fünf Jahre den jungen Fahrern eine Chance, damit sie lernen können.“

Für Manuel Machata ist dies ein harter Schlag. Der für den Bob-Club Stuttgart-Solitude startende Bayer muss wie im vergangenen Jahr wieder im Europacup fahren. Dabei hatte er im Sommer einen Neustart mit neuen Anschiebern verkündet. Unter anderen holte er den starken Joshua Bluhm und den ehemaligen Tübinger Sprinter Marius Broening. Doch nach seiner Nicht-Qualifikation wurde das Team auseinandergerissen. Bluhm schiebt in Lake Placid den Arndt-Schlitten an, Jan-Martin Speer wurde als Ersatzmann mitgenommen. Geradezu begeistert war Langen von Johannes Lochner. Der Coach urteilte über den 24-jährigen Bayer, der ebenfalls für den Stuttgarter Bobclub antritt: „Er ist ein großer Lichtblick, leider erfüllt er im Moment noch nicht die internationalen Voraussetzungen.“ Um im Weltcup starten zu dürfen, müssen die Piloten an drei Europacuprennen auf drei Bahnen teilgenommen haben. Lochner konnte gleich seine Europacuppremiere in La Plagne gewinne, am Wochenende folgt Start zwei am Königssee. Ihn will Langen bis zu den Spielen 2018 in Pyöngchang aufbauen. KLAUS-ECKHARD JOST