Plackerei mit der Behörde

EISKUNSTLAUF Bei den deutschen Meisterschaften fehlt es im Paarlaufen an Qualität. Aljona Savchenko darf mit ihrem neuen Partner Bruno Massot nur außer Konkurrenz antreten

Erfolgscoach Ingo Steuer fühlt sich „aufs Abstellgleis geschoben“

VON MARINA MAI

Der erste Auftritt von Aljona Savchenko, der fünfmaligen Weltmeisterin im Paarlaufen, mit ihrem neuen Partner Bruno Massot ist lediglich ein Gastspiel: Bei den deutschen Eiskunstlauf-Meisterschaften am Wochenende in Stuttgart zeigt das neue Paar nur sein Kurzprogramm. Außer Konkurrenz. Im Wettbewerb dürfen sie nicht starten. Der 25-jährige Franzose Massot ist wegen des Wechsels vom französischen zum deutschen Verband gesperrt.

Aljona Savchenko hatte mit ihrem langjährigen Partner Robin Szolkowy sieben Mal den deutschen Meistertitel geholt. Viermal wurden sie Weltmeister. Der Traum vom Olympiagold erfüllte sich indes nicht. Sowohl in Vancouver als auch in Sotschi reichte es für die Chemnitzer „nur“ zu Bronze. Robin Szolkowy (35) verabschiedete sich nach der olympischen Saison vom Leistungssport und trainiert heute in Moskau den russischen Nachwuchs. Die 30-jährige Savchenko hingegen hat den Traum vom olympischen Gold noch nicht ausgeträumt und sie peilt dieses Ziel mit ihrem deutlich jüngeren französischen Partner an.

Ohne ihren langjährigen Trainer Ingo Steuer allerdings, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit vom deutschen Verband nicht bezahlt werden darf und der das Paar viele Jahre lang unentgeltlich trainierte. In den letzten beiden Jahren allerdings bezahlten seine Schützlinge ihn aus Sponsorengeldern. Doch im September erteilte das Bundesinnenministerium dem Ersuchen Steuers eine Absage, ihn 25 Jahre nach dem Ende der DDR wieder aus öffentlichen Geldern zu finanzieren. Dafür hatte sich neben dem Fachverband Deutsche Eislauf-Union auch der Deutsche Olympische Sportbund stark gemacht. Begründung: Steuer ist ein international anerkannter Könner seines Fachs, und gute Eiskunstlauftrainer sind in Deutschland Mangelware.

Darüberhinaus zerstritten sich Steuer und Savchenko, die auch eine Liebesbeziehung verband. Es folgte ein handfester, über die Boulevardmedien ausgetragener Ehekrach. Der Erfolgscoach, der sich in Deutschland „aufs Abstellgleis geschoben“ fühlte, trainiert jetzt in Florida amerikanische und südkoreanische Paare. Gegen gute Bezahlung selbstverständlich. Ins heimische Chemnitz fliegt er gelegentlich, um die talentierte 15-jährige Einzelläuferin Lutricia Bock zu unterstützen. Ohne Bezahlung aus öffentlichen Geldern selbstverständlich. Bock gilt als riesiges Nachwuchstalent und will am Wochenende in Stuttgart deutsche Meisterin werden und sich für die EM qualifizieren. Kommt sie gut durch ihr Programm, sollte ihr das gelingen. Die amtierende deutsche Meisterin Nathalie Weinzierl aus Mannheim laboriert noch an den Folgen einer Verletzung.

Das Paar Savchenko/Massot trainiert seit Oktober in Oberstdorf bei Alexander König. Der ist zwar kein Medaillenschmied wie Steuer, darf aber von der Deutschen Eislauf-Union bezahlt werden. Und einen weiteren Vorteil gibt es für das deutschukrainisch-französische Duo im Allgäu gegenüber dem bisherigen Trainingsort Chemnitz: Die bayerische Ausländerbehörde gilt als weniger hartleibig. Sie hat schon mehrere migrantische Athleten in großzügigen Ermessensentscheidungen eingebürgert. Ein deutscher Pass ist für den Franzosen Massot die Voraussetzung, um 2018 bei Olympia an den Start gehen zu dürfen.

Ohne das Paar Savchenko/Massot wird den Wahlberlinern Mari Vartmann/Aaron Van Cleave der Meistertitel in Stuttgart kaum zu nehmen sein. Sie sind erfahren und haben immerhin einen fünften Platz bei den Europameisterschaften 2012 erreicht. Das elegante und ehrgeizige Paar kann allerdings bei internationalen Wettbewerben nur selten glänzen: Sie scheitern allzu oft an ihren Nerven. Als zweites Paar sind international nicht konkurrenzfähige Nachwuchsläufer am Start. Das Paarlaufen steckt in Deutschland in einer Krise. Soll es wieder aufwärts gehen, führt an Savchenko/Massot kein Weg vorbei.