felix lee über den klimawandel im kleinen
: Die Bilanz der Kronkorken zwischen Ritzen und Menschen

Es gibt Dinge, die kann ich überhaupt nicht leiden. Die vielen Kronkorken zum Beispiel, die in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen auf der Admiralbrücke festgetreten sind. Neulich saß ich an einem der besonders lauen Sommerabende über dem Landwehrkanal, lauschte Mango-Eis schleckend zwei italienischen Musikern, die mit Gitarre und einer scheppernden Bongo irgendeine sizilianische Folklore zum Besten gaben – und ärgerte mich.

Denn schon in der Schule habe ich für das Leben gelernt. Das prägt. In den frühen 90er-Jahren hat mir mein Biologielehrer beigebracht, dass Aludosen und diese 21-zackigen Kronkorken aus Blech totaler Schrott sind. Zumindest was deren Energiebilanz betrifft. „Total tote Dose“ hieß – so glaube ich mich zu erinnern – das Motto einer Kampagne in meiner Heimat in der niedersächsischen Provinz.

Dort standen wir hinter einem Tapeziertisch in der Fußgängerzone, verteilten Broschüren, die den Energieaufwand bei der Produktion von Aluminium und Blech anprangerten, und forderten vom Umweltminister die Einführung von Pfand – für Dosen und für Kronkorken. Zuvor hatten wir in Mülltonnen gewühlt und auf der Straße herumliegende Cola-Dosen und Kronkorken eingesammelt, die wir dann auf dem Tapeziertisch als Mahnmal aufgestapelt hatten.

Nur das Wort „Klimawandel“ fehlte. Das war uns damals noch nicht geläufig. Aber immerhin dealte ich mit zwei Kumpels in der Pause mit Heften aus Umweltschutzpapier. Unterstützt wurde unser kleiner Laden in einer ansonsten eher umweltunbewussten Umgebung vom Biolehrer. Daher hatte ich wenigstens eine leise Ahnung, dass ein zu hoher Energieaufwand bei der Produktion irgendwie das Weltklima beeinflussen könnte. Wie genau, wusste ich zwar nicht. Aber mir reichte, dass der Biolehrer sagte, dass es so war.

Nun kann ich ja zugeben: Mich persönlich bewegte der Energieaufwand bei der Blechproduktion damals nicht wirklich. Konkret konnte ich mir darunter ohnehin nichts vorstellen. Viel mehr ärgerte ich mich über meine verpulverte Energie, die ich beim Herumwühlen in Mülltonnen und beim Aufsammeln der Dosen und Korken aufwenden musste.

An diese unausgewogene Energiebilanz meiner Jugend musste ich denken, als ich da auf einem der Steinblöcke auf der idyllischen Admiralbrücke saß. Mit einem kleinen Stöckchen begann ich, die festgetretenen Kronkorken aus den Pflastersteinritzen herauszupulen. Einen Moment später öffnete so ein halbbesoffener Tourist, wahrscheinlich aus der westdeutschen Provinz, seine Pulle und schnippste den Kronkorken in hohem Bogen in den Kanal. Das brachte mich völlig auf die Palme. „Das macht doch das Klima kaputt“, rutschte es aus mir heraus. Schon wollte ich dem Typen eine scheuern. Doch da ging mir ein Licht auf. Plötzlich erkannte ich das eigentliche Anliegen meines Biolehrers: Er meinte das zwischenmenschliche Klima. FELIX LEE

Der Tipp: Es gibt Bierflaschen mit Plöppverschlus statt Kronkorken. Manchmal ist sogar Biobier drin. Das ist dann voll öko. Das Wochenendwetter: Samstag 19, Sonntag nur 17 Grad. Das Bier sollte man schon mal warm stellen.