Werkspuren

Einer breiteren Öffentlichkeit ist Ernst Tugendhat kaum bekannt. Dennoch gehört der 77-Jährige zu den wichtigsten deutschen Philosophen der Gegenwart – gerade weil er die deutsche Philosophietradition entzaubert hat. Heidegger hat er mehrfach auseinandergenommen: Dessen Kernbegriffe „Sein“ und „Zeit“ seien letztlich unverständlich.

Tugendhat war wirkungsmächtig, weil er scheinbar bescheidene Ansprüche formulierte: Für ihn zählte nur das Argument. Jede philosophische Aussage wurde daraufhin untersucht, wie gut sie begründet ist. Wenn der Philosoph Edmund Husserl etwa eine „kategoriale Synthesis“ im menschlichen Bewusstsein erfindet – was sollte das sein? Damit importierte Tugendhat die Methode der angloamerikanischen „analytischen Philosophie“ nach Deutschland.

Tugendhat verwirft die Antworten seiner Vorgänger, nicht aber ihre Fragen. So widmete er Martin Heidegger ausgerechnet jenes Buch, mit dem er explizit über dessen Werk hinausgelangen wollte: die „Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie“, die 1976 erschienen sind.

Darin versuchte Tugendhat zu zeigen, dass die Frage nach dem Sein – die Ontologie – und die Kantische Frage nach der Struktur des Bewusstseins allein mit den Mitteln der Sprachphilosophie zu beantworten sind. Begriffe wie „Wahrheit“ oder „Vernunft“ ließen sich nur klären, wenn man die Funktionsweise der Sätze versteht.

Tugendhat sieht die Begrenztheit seiner Erkenntnisse. Das sei kein Makel, sondern gehöre zum Wesen jeder Philosophie: „Für eine philosophische Grundlagenforschung ist es charakteristisch, dass alle Antworten nur Schritte zu neuen Fragen sind.“ UH