Pegida schlüpft in den Schafspelz

PATRIOTISCHE EUROPÄER Die Pegida-Bewegung gibt sich ein Grundsatzprogramm, das auf den ersten Blick sogar vernünftig erscheint. Doch die islamophoben Züge der Bewegung scheinen durch

DRESDEN taz | Sie klingen wie die süßen Glocken zur Weihnachtszeit – die 19 Thesen, die die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, kurz Pegida, nun auf Facebook und in ihrem Blog veröffentlicht haben. Mit einer Art Grundsatzprogramm wollen die „Patrioten“ offenbar der verbreiteten Irritation über ihre konkreten Ziele und Forderungen entgegenwirken. Verfasst wurden die Thesen vom zwölfköpfigen Organisationsteam, von dem aber bislang nur vier Namen bekannt sind.

Einzelne Thesen sind so formuliert, dass sie bedenkenlos auch von Integrationsbeauftragten unterschrieben werden könnten. So bezeichnet Pegida die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten als „Menschenpflicht“. Diese sollten dezentral untergebracht werden und nicht in „menschenunwürdigen Heimen“. Für traumatisierte Asylbewerber sollten sogar mehr Betreuer eingesetzt werden.

Doch schlagen die patriotischen Europäer auch andere Töne an. Über das Asylrecht hinaus sollte auch eine Integrationspflicht im Grundgesetz verankert werden. Ein gesamteuropäischer Schlüssel sollte für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge sorgen. Der Wunsch nach schnellerer Abschiebung wird verpackt in die Forderungen nach beschleunigten Asylverfahren und mehr Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In dieselbe Richtung zielt die Forderung, Antragsverfahren nach dem restriktiveren holländischen oder Schweizer Modell einzuführen. Gegenüber „straffällig gewordenen Asylbewerbern“ fordert Pegida eine „Null-Toleranz-Politik“.

Noch einmal wird die Schweiz bemüht, wenn für die Einführung von „Bürgerentscheidungen“ plädiert wird. Die erzkonservative Schweizer Volksinitiative gegen Masseneinwanderung hatte zu Jahresbeginn eine Volksabstimmung für weniger Zuwanderung gewonnen.

Hierzulande könnte aber die Linke beipflichten, wenn sich die Antiislamisten gegen Waffenlieferungen an verbotene Organisationen wie die PKK aussprechen. Und gegen den Stellenabbau bei der Polizei, wie ihn Pegida, anprangert, haben im sächsischen Landtagswahlkampf auch SPD und Linke gekämpft. Auch die These für sexuelle Selbstbestimmung, gegen Hass und religiösen oder politischen Radikalismus kann eigentlich jeder unterschreiben.

Bei zwei Punkten lässt Pegida die Katze aus dem Sack: Die Patrioten sorgen sich um „Erhaltung und Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur“. Und die Verurteilung einer Scharia-Parelleljustiz und von Parallelgesellschaften lässt Islamophobie erkennen.

Führende christliche und jüdische Vertreter aber haben vor Pegida gewarnt, woraufhin Frontmann Lutz Bachmann aus der Kirche austrat.

Auf der Webseite von Pegida fällt die Resonanz unterschiedlich aus. Zustimmung gibt es eher in Einzelpunkten, sonst ist mehr von „Phrasen“ und von dem Verdacht die Rede, hier würde etwas niedergeschrieben, „um die ganz lauten Kritiker milde zu stimmen“. Stimmung und Tonart auf den Montagsdemonstrationen in Dresden sind jedenfalls weit aggressiver. Der nach Bekanntwerden seiner kriminellen Vergangenheit in die zweite Reihe gerückte Lutz Bachmann beschwört zugleich im Exklusivinterview der Zeitung Junge Freiheit eine „wachsende Anzahl von Islamisten in Deutschland und die zunehmende Ausländergewalt“.

Das übergreifende Bündnis „Dresden für alle“ hat inzwischen zu einer weiteren Gegendemonstration am kommenden Montag auf dem Theaterplatz aufgerufen, der bislang als Marschziel von „Pegida“ galt.

MICHA BARTSCH