Berlin noch arm, aber „Müller“

WECHSEL Die Amtsübergabe im Roten Rathaus klappt schon mal: Michael Müller wird zum Nachfolger von Klaus Wowereit gewählt

Nun muss es der 50-jährige bisherige SPD-Bausenator alleine packen

AUS BERLIN BERT SCHULZ

Um 9.31 Uhr ist Klaus Wowereits Amtszeit dann wirklich zu Ende. Ausgesprochen herzlich umarmt er Michael Müller, seinen Nachfolger, der wenige Minuten zuvor vom Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, CDU und mindestens zwei weiteren zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden war. Noch einmal steht da das altgediente Politduo aus Tempelhof an diesem Donnerstag im Parlament zusammen: Seit gut 30 Jahren machen Wowereit und Müller zusammen Politik. Nun muss es der 50-jährige bisherige SPD-Bausenator alleine packen.

Dass Wowereits Karriere in der Berliner Landespolitik so endet, daran hätte er vor einiger Zeit selbst nicht mehr geglaubt. Müller, der einzige Kronprinz von Wowereits Gnaden weit und breit, war von der Partei verschmäht und vor zwei Jahren auf einem Parteitag als Landeschef abgewählt worden. Nur, weil die Berliner SPD-Basis über den Nachfolger von Wowereit in einem Mitgliedervotum selbst entscheiden konnte, hatte er seine zweite Chance bekommen.

Überhaupt lief es seit seiner Rücktrittsankündigung Ende August für Wowereit prima: Der mit dreizehneinhalb Jahren dienstälteste Landeschef wurde zum Abschied von allen Seiten mit Lob überschüttet – ganz so, als ob es die milliardenschweren Pannen auf der Baustelle des Flughafens BER, den gravierenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Pannen bei der Versorgung von Flüchtlingen und den riesigen Schuldenberg nicht geben würde.

Doch darum muss sich fortan Michael Müller kümmern. Und es deutet viel darauf hin, dass es mit der Harmonie in der Landespolitik schnell wieder vorbei ist. Der bisher für den Wohnungsbau zuständige Senator hat angekündigt, auch als Regierender darauf zu drängen, endlich die versprochenen 10.000 Wohnungen pro Jahr zu errichten. Allerdings regt sich selbst am Stadtrand dagegen Protest, sobald Planungen für ein neues Baugebiet dort bekannt werden. Im Mai hatte Müller einen Volksentscheid über die vom Senat geplante teilweise Bebauung des Tempelhofer Felds deutlich verloren. Ob Müller aus dieser Schlappe gelernt hat und wie angekündigt mehr mit den Bürgern kommunizieren will, muss sich erst zeigen.

Was Berlins Finanzen angeht, durfte Müller gleich ins kalte Wasser springen: Direkt nach der Vereidigung seiner Senatoren musste er zur Konferenz der Ministerpräsidenten zur Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Eine Regierungserklärung folgt deswegen erst Mitte Januar.

Und der politische Streit über den BER könnte bereits am heutigen Freitag wieder eskalieren: Ursprünglich war geplant, dass Flughafenchef Hartmut Mehdorn zumindest grob bekannt geben sollte, wann die mehrfach verschobene Eröffnung stattfinden soll. Daraus dürfte wieder nichts werden; stattdessen geht es in der Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft auch um die Zukunft von Mehdorn selbst. Mit dabei natürlich: Michael Müller.