Mobil gegen die Fossilen

Greenpeace startet Protesttour gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke in Norddeutschland. Expertenkommission startet im AKW Krümmel Suche nach Ursachen für die Pannenserie

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Mit einer Informationstour ihres Schiffes „Beluga II“ protestiert die Hamburger Umweltschutzorganisation Greenpeace seit gestern gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke. Den Auftakt bildete am Morgen eine Aktion im Hamburger Stadtteil Moorburg. Dort plant der Stromkonzern Vattenfall zwei Kraftwerksblöcke mit zusammen mehr als 1.600 Megawatt Leistung. Das wäre das größte Kohlekraftwerk in Norddeutschland.

Und zugleich das dreckigste: Der Gesamtausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) soll bei rund sieben Millionen Tonnen jährlich liegen. Das wäre das Doppelte der CO2-Menge, welche die gesamte Hamburger Industrie im Jahr 2006 emittierte. Neue Kohlekraftwerke seien deshalb „mit Klimaschutzzielen unvereinbar“, sagt Karsten Smid, Klima-Experte von Greenpeace. Zudem werde damit die Energieerzeugung für die nächsten vier bis fünf Jahrzehnte festgelegt.

Stattdessen sollten besser dezentrale kleine Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelung gebaut werden, die einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Zudem müssten die Investitionen in schadstofffreie Energieproduktion, im Norden vorzugsweise in Windkraftanlagen an Land und vor den Küsten, verstärkt werden. Zugleich jedoch planen Energiekonzerne zurzeit den Neubau von zehn Kohle- sowie einigen Müllkraftwerken in Norddeutschland. Mehreren der geplanten Standorte wird deshalb die „Beluga II“ im kommenden Monat ebenfalls Besuche abstatten.

Nach der Pannenserie in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel hat gestern eine Expertenkommission in Krümmel ihre Arbeit aufgenommen. Vattenfall stellt dafür fünf Millionen Euro zur Verfügung. Etwa die selbe Summe werde für die Behebung der Schäden im Atommeiler bei Geesthacht benötigt, schätzte ein Firmensprecher.

Am 28. Juni waren die beiden AKWs nach Pannen vom Netz gegangen. In Brunsbüttel war es zu einem Kurzschluss gekommen, in Krümmel war wenige Stunden später nach einem Kurzschluss ein Transformatoren-Gebäude ausgebrannt. Die verkohlten Reste der Anlage wurden inzwischen ausgebaut.

Vattenfall rechnet weiterhin nicht damit, die beiden Meiler innerhalb weniger Wochen wieder in Betrieb nehmen zu können. Pro Tag erleidet der Konzern dadurch nach eigenen Angaben einen Einnahmenverlust von etwa einer Million Euro. Das für die Atomaufsicht zuständige Kieler Sozialministerium macht eine vollständige Aufklärung der Ursachen zur Bedingung für die Genehmigung, die Reaktoren wieder anzufahren.

Parallel zu den Untersuchungen des Brandes und der Arbeit der Expertenkommission hat inzwischen eine routinemäßige Revision im ohnehin stillstehenden Kraftwerk Krümmel begonnen. Diese wird etwa vier Wochen bis Ende August andauern.

Im Atomkraftwerk Brunsbüttel suchen seit Montag Fachleute der Atomaufsicht und der Baubehörden nach möglichen Mängeln. Bisher wurden im Sicherheitssystem etliche fehlerhafte Verankerungen und Dübelverbindungen entdeckt. Die Untersuchungen dauern nach Angaben der Kieler Atomaufsicht noch auf unbestimmte Zeit an.

Die „Beluga II“ liegt heute und morgen an Brücke 9 der Hamburger Landungsbrücken. An Bord gibt es eine Ausstellung und Vorträge zum Thema. Weitere Stationen des Schiffes unter www.greenpeace.de