Die Moduliermaschine

Trimm dich mit Musik: Der in Berlin lebende kanadische House-Produzent Daniel Gardner aka Frivolous macht mit seinem selbst gebastelten Frivolocycle-Gerät keine Tracks, sondern Songs

VON TIMO FELDHAUS

Wenn er auf der Bühne steht, überrascht Daniel Gardner aka Frivolous gleich doppelt: mit seinem sehr abwechslungsreichen, albernen bis tanzbaren Sound und mit seiner Art des Vortrags. Deswegen ist die Bezeichnung Bühne, die in der elektronischen Tanzmusik eher selten benutzt wird, genauso treffend wie Gardners Bestehen darauf, dass er keine Tracks macht, sondern Songs. Auf seiner Bühne steht zwar der obligatorische Laptop auf dem obligatorischen „Schreibtisch“, doch damit hört es bei ihm eben nicht auf.

Frivolous ist ein Produzent mit Show-Affinität. Zum Computer kommen selbst gebastelte Instrumente, zum Beispiel ein Messer mit riesiger Klinge, das mit einem Tonabnehmer verbunden ist, und dem er im Laufe des Sets immer wieder Töne entlockt. Und natürlich das zu seinem Markenzeichen gewordene rote Telefon, in das Gardner immer mal wieder singt. Früher performte Frivolous im Skelettkostüm, manchmal hatte er dabei eine Rose im Mund, manchmal eine Kochmütze auf dem Kopf. Heute sagt er: „Ich bin es ein bisschen leid, ich will nicht mehr der König der Gimmicks sein. Es zählt die Musik.“

Der 27-jährige Kanadier wohnt nun seit einem Jahr in Berlin. Als ich ihn treffe, sitzt er tief in einem braunen Sessel in der Bar25 am Spreeufer. Kleine Nussschalen und große Touristendampfer ziehen vorbei. Gardner lacht, es geht ihm gut. Wieder. Und das hat nicht wenig mit dem Ort zu tun, an dem wir uns befinden. Hier, in der Bar25, der verpeilten Feierinstitution, die mittlerweile auch einen Zirkus beherbergt, wird er am Sonntag eine Impro-Session spielen und gleichzeitig sein „Frivolocycle“ (kleines Foto) vorstellen – eine merkwürdige Moduliermaschine, die er in den letzten Monaten hier gebaut hat.

Mit der leicht hippiehaften Verspulung hat er es irgendwie. So erzählt er von seiner besten DJ-Erfahrung, die er in letzter Zeit in Berlin gemacht hat, einer „bizarren Benefiz-Veranstaltung, irgendwo am Lehrter Hauptbahnhof“. Es waren nicht viele Menschen dort, aber die trugen Hula-Hoop-Reifen beim Tanzen. Dazu regnete es, und Frivolous legte in einem leeren Swimmingpool auf. „Ich mag es, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert“, sagt er, „und unterschiedliche Menschen sich mit ganz unterschiedlichen Ideen von Party versammeln.“

Beim Berliner Label Scape hat er in diesem Jahr eine hervorragende Platte herausgebracht, die sein Partykonzept ganz gut umsetzt. Denn „Midnight Black Indulgence“ ist unvorhersehbar. Einem von Detroit-Techno beeinflussten deepen Track folgt ein richtiges Jazzstück. Es hakt immer wieder, kein Beat will sich halten, viel gelooptes Pianospiel kommt spleenig rüber, versponnen, speziell. So speziell, dass sich die Frivolous’sche Musik nur schwer in das Konzept Minimal einordnen lässt, das diese Stadt beherrscht. Gardner erzählt denn auch, wie schwierig es für ihn war, sich in Berlin einzufinden. Im Unterschied zu ungezählten Neuberliner Musikern war er, just angekommen, unglücklich. Mit sich und „dem Sound, den ich plötzlich in dieser Stadt machte“.

Gardner ist auf einer Farm vor Vancouver groß geworden. Er hat 12 Jahre klassisches Klavier gelernt, konnte in seiner Schule aber auch einen Kurs belegen, der „Elektronische Musikkomposition“ hieß. „In Vancouver hatte ich diese Träume und Visionen. Ich habe wirklich viel Musik produziert. Dann kam ich nach Berlin, und es funktionierte nicht mehr. Die Orte, für die ich Musik gemacht habe, waren alle eher imaginär. Aber keiner dieser Orte hat hier existiert.“ Gardner ist dann von Kreuzberg tief in den Wedding gezogen. Hat sich weniger mit Musikern getroffen und fährt nun öfter an den Plötzensee. „Es ist so einfach, sich von Berlin verschlucken zu lassen. Gerade als Technoproduzent bist du plötzlich an diesem mythischen Ort und kommst bei all dem Input und der Geschichte nicht mehr zu dem, was du eigentlich willst. Viel Musik, die hier stattfindet, ist nach Parametern der Funktionalität ausgerichtet. Das passt eigentlich nicht zu mir.“

Berlin verändert einen. Verwischt erst Grenzen, um sie dann desto deutlicher wieder aufzuzeigen. Im besten Fall weiß man irgendwann, was man wirklich will. Oder was man nicht will. Für Daniel Gardner ist es gut gegangen: „Zwar haben die DJs immer noch Schwierigkeiten, meine Platten in ihre Sets einzubringen, aber darauf kommt es nicht mehr an. Ich mache wieder meine eigene Musik.“

Als Gardner sich jetzt schwungvoll aus dem Sessel schält und auf diese seltsame rote Maschine zusteuert, scheint der Kummer wirklich von gestern. Das „Frivolocycle“ wirkt noch komischer, wenn sein Meister selbst auf ihm Platz nimmt. Wie ein altes Trimm-dich-Rad sieht es aus. Wo sich allerdings ein Lenker befinden sollte, gibt es beim Frivolocycle einen Glaskasten, vor dem roter Samt hängt. Öffnet man diesen Vorhang, wird der Blick frei auf zwei aus einem Gitarrenverstärker ausgebaute Spulen, die sich durch das Treten der Pedale spannen. Das Frivolocycle soll als permanente Installation neben dem DJ-Pult in der Bar25 stehen. Die Maschine wird mit dem Mixer verbunden, die Musik von den Plattenspielern durch das getretene Rad gezogen und da moduliert. So kann der Sound während des Auflegens verändert werden – von den Barbesuchern, direkt neben der Tanzfläche. Vielleicht geht Frivolous demnächst als Erfinder des Trimm-dich-Technos in die Annalen der Berliner Partygeschichte ein.

Morgen Abend, 20 Uhr, Circus Floor der Bar25, Holzmarktstr. 25