Arbeitsplatz-Anbau im Torfmoor

Im Teufelsmoor wird um den Torfabbau gestritten. Naturschützer warnen davor, dass ein wertvoller Lebensraum zerstört und das Klima geschädigt werde. Die Wirtschaft verweist auf 15 Jobs, die durch das Projekt erhalten werden könnten

Moore entstehen nur unter besonders feuchten Witterungsbedingungen: Pflanzen wachsen auf ständig nassem Untergrund. Wegen des Luftabschlusses im Wasser verwesen die abgestorbenen Pflanzen nicht komplett. Die abgelagerten Pflanzen werden gepresst und schließlich zu Torf. Der unten liegende, ältere und stärker gepresste Torf heißt Schwarztorf, der darauf liegende Weißtorf. Torf ist ein besonders nährstoffarmer Boden, auf dem nur wenige, spezialisierte Pflanzen- und Tierarten leben können. Kommen die teils über Jahrtausende in Form von Torf abgelagerten Pflanzen an die Luft, wird der in ihnen gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt. In Deutschland gibt es eine Gesamtmoorfläche von 13.700 Quadratkilometern, davon sind 10.500 km[2]Niedermoore und 3.200 km[2]Hochmoore. In Niedersachsen befinden sich davon 2.400 km[2]Hochmoor, wovon gut zehn Prozent abgebaut werden. In Deutschland existieren 260 km[2]naturnahe Moorflächen, davon 122 in Niedersachsen. Der Anteil des Torfabbaus an der CO2-Emission in Deutschland beträgt 6,5 Prozent und der der Landwirtschaft 85 Prozent. TAZ

von ANNA STEFFEN

Für Hinrich Wellbrock, Ferienhofbetreiber und Grundbesitzer, hat die Moorfläche auf seinem Grundstück keinen Wert: Der 62-Jährige selbst hat keine Verwendung dafür, seine Kinder werden den Hof nicht übernehmen und niemand möchte das Stück Land pachten. Landwirtschaft auf Moorböden ist auf Dauer nicht lukrativ. Nun will er die Torfvorkommen an das Erden- und Humuswerk „Turba“ verkaufen, die den Rohstoff abbauen, damit er industriell weiterverarbeitet wird. Das sorgt in der Region Teufelsmoor für heftige Proteste.

„Die Lebensqualität der Anwohner wird durch die Staub- und Lärmbelästigung viel geringer,“ sagt Reinhard Meyer-Graft von der Bürgerinitiative Teufelsmoor, in der sich die Anwohner organisiert haben. Die Häuser seien durch eine Entwässerung der Fläche gefährdet. Die Lage sei anders als im bisherigen Abbaugebiet Günnemoor, denn die Fläche von Bauer Wellbrock liege mitten in einer Ortschaft.

Für Turba sei die kleine Fläche von zehn Hektar eine „Übergangslösung“ um den Fortbestand der Firma zu sichern, sagt Geschäftsführer Karsten Rath. Turba baut seit Jahrzehnten Torf im Teufelsmoor ab. Eigentlich ist die Firma an einem Gebiet von etwa 240 Hektar interessiert, das direkt an das bisherige, bald erschöpfte, Abbaugebiet anschließt. Bis das große Anliegen geklärt ist, will Turba sich sieben bis acht Jahre mit den aktuell diskutierten zehn Hektar über Wasser halten.

Naturschützern ist das ein Dorn im Auge. Sie setzen sich dafür ein, dass weiterer Torfabbau im Teufelsmoor verhindert wird. „Wichtig dabei ist der Klima-Aspekt“, sagt Hans-Gerhard Kulp von der Biologischen Station Osterholz. Durch Torfabbau würden enorme Mengen an Kohlenstoff freigesetzt, die den Treibhauseffekt und damit die Klimaerwärmung fördern. Bei zehn Hektar Torf mit drei Metern Dicke würden 50.000 Tonnen CO2 freigesetzt. In Niedersachsen werden insgesamt 30.000 Hektar abgetorft.

Das Hochmoor auf Wellbrocks Grundstück ist kein aktives, so genanntes „natürliches“ Moor. Natürliche, wachsende Hochmoore dürfen in Deutschland per Gesetz nicht abgetorft werden. Entwässerte, landwirtschaftlich genutzte Hochmoorflächen beherbergen den Torf, der bis zur ersten Entwässerung und Nutzung entstanden ist. Diese Flächen dürfen nach behördlicher Genehmigung abgetorft werden. Im Anschluss müssen die abgetorften Flächen „renaturiert“, das wieder vernässt, werden. So soll wieder Lebensraum für Tiere und Pflanzen entstehen und das Moor erneut anfangen zu wachsen. Ein bis zwei Millimeter pro Jahr wären normal.

Neben dem Klima-Aspekt sei das Moor ein einzigartiger Lebensraum für manche Pflanzen und Tiere, sagt Kulp. Auch wenn die umstrittene Fläche kein natürliches Hochmoor ist, sei auch die nasse Fläche des brachen Hochmoores sei ein einzigartiges, nach Paragraph 28a des Naturschutzgesetzes schützenswertes Biotop, sagt Kulp. Die nährstoffarme Nasswiese sei eine überlebenswichtige Balz- und Nahrungsfläche für Kraniche und ihre Jungen. Ein Teil des Lebensraumes dieser bedrohten Tierart, die nebenan brütet, ginge verloren. Auch Ziegenmelker, Ringelnattern, Kreuzottern und diverse Pflanzen seien betroffen.

Grundbesitzer Wellbrock hält die Gegner für „Fantasten“. Die Lärmbelästigung sei mit einem Bagger und ein paar Loren plus Lok nicht von großer Bedeutung. Für ihn ist seine Moorfläche, die niemand pachten oder nutzen möchte, eine Last. Er erwartet, dass er die Fläche besser nutzen können wird, wenn sie abgetorft ist: einen „See“ oder ein „Biotop“ stellt er sich vor.

Die Turba verkauft den abgebauten Rohstoff Torf vor allem an die Lebensmittelindustrie, insbesondere für die Champignonzucht. Aber auch im Hobbygartenbau werde der Torf verwendet, sagt Turba-Geschäftsführer Rath. 15 seiner Mitarbeiter sind im Teufelsmoor beschäftigt. Rath hält den Klima-Aspekt für wenig bedeutsam. Bei jeder landwirtschaftlichen Tätigkeit auf Moorboden werde CO2 freigesetzt, wenn der Boden aufgewühlt werde. Der Biologe Kulp kontert damit, dass durch die Landwirtschaft viel weniger Torf abgetragen wird als durch den Torfabbau.Während bei bäuerlicher Nutzung ein halber Zentimeter pro Jahr verloren gehe, wären es beim Abtorfen bis zu einer Tiefe von drei bis sechs Metern unverhältnismäßig mehr.

Der Landkreis Osterholz wird die Entscheidung, ob Turba in Teufelsmoor abtorfen darf, Ende der Sommerferien fällen.