Völker beballern die Könige

Am Oststrand spielen 15 Teams um die WM im Völkerball. Japaner, Apachen oder Hessen versuchen sich gegenseitig möglichst schnell abzuwerfen. Oder die Schiedsrichter mit Schnaps zu bestechen

„Strandvölkerball ist ein sehr korruptes Spiel“

VON KERSTIN RUSKOWKSI

„Sexy“ hat sich ein Spieler in weißen Lettern auf die Brust geschrieben, der leicht bekleidet durch den Sand am Friedrichshainer Oststrand hechtet. Die Japaner, amtierende Weltmeister im Strandvölkerball, treten ihr erstes Match bei der diesjährigen WM gegen die „Apachen“ an.

Im Team der Japaner tragen die Jungs außer einer für Sumo-Ringer typischen Hose allenfalls weiß-rote Farbe auf dem Körper, die Frauen hingegen stecken in den eher langweiligen offiziellen T-Shirts der fünften Weltmeisterschaft im Strandvölkerball. Manche haben sich die Haare auf dem Kopf pinselartig zusammengebunden.

Vier Tage lang verwandelt sich die Ostbar zwischen East Side Gallery und Spree in ein Spielfeld. Insgesamt treten 15 verschiedene „Völker“ an. In jedem der achtköpfige Teams müssen mindestens vier Frauen mitspielen. Die Regeln sind schnell erklärt. Jede Mannschaft steht in einer Hälfte des Spielfeldes. Sie bestimmt einen König, der im Rücken der Gegner steht. Nun zielen die Spieler mit einem Ball auf ihre Gegner. Wer getroffen ist, muss raus an die Seite seines Königs. Hat eine Mannschaft alle Spieler verloren, muss der König aufs Feld. Ist auch er dreimal getroffen, hat das Team verloren.

Die Apachen laufen mit lautem Indianergeheul auf das 8 mal 16 Meter große Spielfeld. Spielernamen wie „Silberblick“ oder „Alte Schmetterhand“ kleben quer über ihre Rücken. Um den Kopf tragen sie rote Stirnbänder, an denen eine grüne Feder steckt.

Bereits zweimal ist es den Japanern gelungen, die Weltmeisterschaft, die vom Weltstrandvölkerballverband (WSVBV) ausgerichtet wird, für sich zu entscheiden. Der Weltstrandvölkerballverband ist zwar kein eingetragener Verein, gibt Präsident Matthias Böttger zu, aber das sei bei internationalen Verbänden auch nicht nötig.

Der 33-Jährige, der neben seinem Präsidentenamt als Raumtaktiker arbeitet, versteht sich selbst als „Joseph Blatter des WSVBV“. Als er den Vergleich mit dem berüchtigten Fifa-Präsidenten bemüht, fällt es Böttger sichtbar schwer, nicht zu grinsen. Tatsächlich nehmen er sowie sein Kumpel und Vizepräsident Max Schumann die WM, die einzige jährliche Veranstaltung des WSVBV, nicht richtig ernst.

Der 2003 gegründete Verband will auch Erwachsene für das im schulischen Turnhallen allgegenwärtige Ballwurfspiel begeistern. „Die meisten hören spätestens mit zwölf auf, Völkerball zu spielen“, sagt Böttger. Deshalb verlagerten Schumann und Böttger die Spielstätte trendgemäß nach draußen an den Strand – und ehren den Sport mit einer alljährlichen Weltmeisterschaft.

Die Beachvariante erfreut sich konstant wachsender Beliebtheit: Die meisten Teams starten mittlerweile jedes Jahr bei der Weltmeisterschaft. Doch auch neue wie die Apachen treten an. „Wir haben letztes Jahr nur zugesehen, uns aber in diesem Jahr angemeldet und vor zwei Monaten angefangen, im Park zu trainieren“, berichten Christine und Julia von den Apachen.

Auch das Kulinarische kommt bei der WM nicht zu kurz. Alle Teams werden gebeten, möglichst landes- beziehungsweise volkstypische Speisen mitzubringen. So ist die Bewirtung der Zuschauer gesichert. Aber auch die Getränke sind wichtig. Es werde gern versucht, Schiedsrichter, Kommentator und die beiden Präsidenten des WSVBV mit Schnäpsen zu bestechen, berichtet Böttger. Aber das gehöre dazu, meint der Präsident: „Strandvölkerball ist ein sehr korruptes Spiel“.

Bei aller vorgetäuschter Ernsthaftigkeit bleibt der Spaß das wichtigste Anliegen der Veranstalter und Vorsitzenden des WSVBV. Und der ist es auch, der die Teilnehmer jedes Jahr wieder anlockt. Die Griechen, die schon einmal den Völkerpokal mit nach Hause nehmen konnten, heißen allerdings seit diesem Jahr „Deutschländer“ – alle haben inzwischen einen deutschen Pass.

Und die Japaner werden dieses Jahr auch nicht mehr Weltmeister. Sie verlieren gleich ihr Auftaktspiel gegen die Apachen gleich mit 2:3 – und landen am Ende in ihrer Gruppe nur auf Platz drei. Ganz vorn liegen ungeschlagen die Hessen. Die Finalspiele um den Weltmeistertietel waren am Sonntag bei Redaktionsschluss noch nicht beendet.

Ob die Strandvölkerball-WM im nächsten Jahr wieder in der Ostbar stattfinden kann, ist derweil noch unklar. Die immer noch wachsende Konkurrenz durch andere Strandbars macht dem Betreiber Hexenkessel und Strand GmbH zu schaffen. Sollte der Oststrand geschlossen werden, wäre auch die Zukunft der Strandvölkerball-WM ungewiss. „Die Stadt Berlin muss sich überlegen, ob sie so einen wichtigen Wirtschaftsfaktor aufgeben will“, meint Böttger.