Alles für die Königin

Zur Not fahren Bienen sogar im Auto mit, um bei ihrer Königin zu bleiben. Eine Vortragsperformance von Mark Beneke und Herrn Gabriel über die Staaten der Insekten und die Staaten des Menschen im Schloss Sacrow

Insekten! Sie sind als Thema wieder groß in Mode. Die Bild-Zeitung vom Wochenende widmete ihnen gar die Titelseite – „Mückenterror“ – und gab servicefreundlich eine Anleitung, wie man die Tiere mit der zusammengefalteten Zeitung erschlägt. Insekten, und besonders die an Verwesungsprozessen beteiligten, sind aber auch die Stars der Kriminalbiologie. Heute zeigen sich zahllose Krimis fasziniert von der Kunst, aus dem Zustand der Leiche Rückschlüsse auf das zu ziehen, was vorher geschah. Und nicht ganz unschuldig an dieser Faszination ist Mark Benecke, Insektenforscher, Kriminalbiologe und Autor, der in Radio- und TV-Auftritten aus seiner Wissenschaft eine unterhaltsame Performance macht.

Er war zusammen mit Rainer Gabriel, Vorsitzender des Vereins der Brandenburgischen Imker, nach Schloss Sacrow eingeladen, um über Staatenbildung unter den Ameisen und den Bienen zu diskutieren. Am Ende wollten die besorgten Verbraucher im Publikum aber vor allem über den Honig und seine Reinheit reden. So erfuhr man mehr darüber, was unser Staat so durch das Filtern, Mischen und Deklarieren an Sauereien mit dem Honig zulässt, als darüber, was wir Menschen von den Staaten der Ameisen und Bienen lernen könnten.

Die Kunst war schon einmal, in der Zeit des Barock, von den Insekten begeistert, als zahllose „Memento mori“-Darstellungen mit wurmzerfressenen Äpfeln und wurmzerfressenen Leichen prunkten. Mark Benecke zeigte in seinem diagestützten Vortrag auch ein sehr schönes Tableau von toten Käfern, Motten und Larvenhüllen, das aus einem Lüftungsrohr des Kölner Ludwig-Museums stammte. Und er ließ den ein oder anderen Leichenteil sehen, der zur Wohnung von Käfern und Larven geworden war. Aber mit der Betonung auf einem Problem des Bewohners, der nämlich, mitsamt seinen Larvenkindern, seine Wohnung nach und nach auffrisst. So aber ist kein Staat zu machen. Der verlangt mehr Intelligenz und ist erst bei den Ameisen und Bienen zu finden.

In Sacrow ist zurzeit das Kunstprojekt Rohkunstbau zu Gast und lädt an den Samstagabenden gerne zu einer Performance ein. Die Ausstellung, die unter dem Motto „Drei Farben – Weiß“ steht, will den Wert der Gleichheit verhandeln. Das ist der Link zum Thema der Staatenbildung: Sind die Staaten der Insekten Modelle der Selbstaufopferung oder des Eigennutzes? Diese Frage stellte sich Mark Beneke, um unter den Ameisen, auf die er sich konzentrierte, doch eher ein kapitalistisches Modell zu entdecken. Da müssen sich die einen Ameisen in der Verteidigung opfern, wenn der Bau angegriffen wird, andere verbringen ihr Leben als Honigtopf. Und die Königin bei Laune zu halten, ist auch eine ganze Schar abgestellt. Das sieht für Benecke nach der effizientesten Form der Ausbeutung zwecks Erhaltung der Macht aus.

Rainer Gabriel, der Imker, dagegen sprach lieber vom Bienenvolk als vom Staat und sah in der Abhängigkeit der Königin von ihrem Volk doch eher ein Vorbild für Demokratie. Faule Königinnen werden abgewählt, neue flugs ernährt. Er zeigte in kurzen Filmausschnitten, wie sich das Volk um seine Königin schart und auch an ihr festhält, wenn sie in einem kleinen Bienenköniginnenkäfig im Auto fährt. Den Bienenköniginnenkäfig hielt der tapfere Herr Gabriel dabei übrigens in seiner Hand, an die tausend Bienen klammerten sich an seine Finger. Fahren musste sein Frau; sehr nervenaufreibend, leidet sie doch an einer Bienengiftallergie.

Herr Gabriels Film war noch nicht fertig. Er entschuldigte sich, weil seine Bilder von den Bienen an den Weidenkätzchen von Fluglärm überdeckt waren. Aber so ist unsere Welt schließlich. Viel zu laut, um das Summen der Bienen zu hören.

KATRIN BETTINA MÜLLER