Sprechen Bayern zu Hause deutsch?

SPRACHPOLITIK – In einem Leitantrag für den Parteitag an diesem Wochenende fordert die CSU von MigrantInnen „im öffentlichen Raum und in der Familie“ auf ihre Muttersprache zu verzichten. Was taz-LeserInnen davon halten, lesen Sie auf dieser Seite

■ betr.: „Man spricht deutsch“, taz vom 8. 12. 14

Mein Mann, Kanadier, und ich, Bayerin, sprechen zu Hause fast nur englisch, gelegentlich deutsch, manchmal auch spanisch und selten bairisch. Vielsprachigkeit ist eine tolle Sache und fördert die geistige Entwicklung (könnte der CSU auch nicht schaden). Sprachen lernt man am besten als Kind. Dadurch, dass die Migranten mehrsprachig aufwachsen, haben sie uns Deutschen einiges voraus. Für den Bildungsweg ist Mehrsprachigkeit immer von Vorteil und sie trägt auch zu einer wunderbaren Vielfalt unserer gemeinsamen Kultur bei.

Um Integration tatsächlich zu fördern, sollte man den ausländischen Mitbürgern, die lange hier leben und ihre Steuern zahlen, endlich auch ein Wahlrecht geben.

MICHAELA CHALLAL, Kassel

■ betr.: „CSU: Zu Hause wird deutsch gesprochen!“, taz vom 8. 12. 14

Vor über 20 Jahren haben wir in Berlin die deutsch-spanische Europaschule mit initiiert, da wir wollten, dass unsere Kinder die Sprachen von Mutter und Vater sprechen können sollten. Ein Professor der FU lehrte uns damals, dass Zweisprachigkeit am besten entstehe, wenn in den Familien klar definiert und durchgehalten wird, was Mutter- und was Vatersprache ist und welche von beiden als Familiensprache gesprochen wird. Wir haben die Sprache der Mutter als Familiensprache definiert und das bis heute durchgehalten. Ich spreche also in der Familie nicht deutsch. Wird mich die CSU jetzt also ausbürgern? DOLF STRAUB, Berlin

■ betr.: „Hohn und Spott für die CSU“, taz vom 8. 12. 14

Diejenigen, die für die Aufforderung zu Deutschsprachigkeit in Zuwandererfamilien (im CSU-Leitantrag) verantwortlich sind, haben offensichtlich keine eigenen Erfahrungen mit Zweisprachigkeit in mehrsprachigen Familien sammeln können, denn sonst würden sie diesen Vorschlag nicht ernsthaft unterbreiten. Es ist gar nicht wünschenswert, dass Ausländer mit ihren Kindern etwa ein fehlerhaftes, gebrochenes Deutsch sprechen. Wünschenswert ist vielmehr, dass sie mit ihren Kindern in ihrer Muttersprache kommunizieren. Wichtig für die Kinder ist frühzeitiger Kontakt zu deutschsprachigen Kindern. Kinder lernen von Kindern. Keine Lernmethode könnte erfolgversprechender sein. Kinder haben stets den Wunsch, sich sprachlich nicht von ihren Spielkameraden zu unterscheiden. Ein Lösungsansatz für sprachliche Integration der fremdsprachlichen Kinder wäre, etwa in Kitas oder in privatem Rahmen mit deutschsprachigen Kindern in Kontakt zu kommen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn die Bundesregierung auf Initiative der CSU gleichwohl mithilfe von Betreuungsgeld das Zuhausebleiben der Kinder fördert.

WERNER ARNING,

Mörfelden-Walldorf

■ betr.: „Man spricht deutsch“,taz vom 8. 12. 14

Mann und Frau hatte ja in den letzten Wochen nicht viel zu lachen, wenn er und sie die Zeitung gelesen haben. Aber heute konnte ich endlich wieder einmal schmunzeln – sogar lächeln. Deniz Yücels Artikel war wirklich ein bitter-süßes Bonbon– der Bayer sagt übrigens „Schmankerl“ – für uns Franken, welches ich mir genüsslich zu Gemüte geführt habe. Danke! Wir Franken machen uns mittlerweile bei so manchen bayerischen Hirnblähungen nicht mal mehr die Mühe, den Kopf zu schütteln. „Fremdschämen“ wird zu einer notwendigen Realität, doch Gott, Allah, und Buddha sei Dank, dass unsere ausländischen Mitmenschen über Großmut und die Gabe des Verzeihens verfügen.

SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

■ betr.: „CSU: Zu Hause wird deutsch gesprochen!“, taz vom 8. 12. 14

Eine deutsche Sprachpflicht gerade aus Bayern ist eigentlich schon lächerlich genug. Leider sind solche Forderungen ein weiterer Schritt zu einem Niveau, das wir in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Nachbarn wie Österreich, Ungarn, Frankreich oder der Schweiz bisher noch nicht unterschritten hatten. Bei guter Integration und einem guten Miteinander statt dem misstrauischen Nebeneinander, werden Kinder keine Deutsch-Defizite haben. Im Gegenteil, sie wachsen zweisprachig auf und das kann nur von Vorteil sein, auch um später weitere Fremdsprachen zu erlernen. Okay, bestimmte Volksgruppen im tiefsten Bayern oder Sachsen kann man mit solchen Forderungen abhalten AfD oder braun zu wählen, aber sollten das echte Christsoziale wirklich wollen?

MARKUS MEISTER, Kassel

■ betr.: „So blöd wie breit“, taz.de vom 6. 12. 14

Ich finde die Vorschläge der CSU sehr gut. Ergänzt werden sollten sie durch den entsprechenden Speiseplan. Jeden Samstag gibt es Sauerkraut mit wechselnden Beilagen. Am Sonntag selbstverständlich Knödel. Im Oktober herrscht Trachtenpflicht. Einzelne Berufsgruppen können davon auf Antrag befreit werden, wie Feuerwehrleute, Polizei oder Krankenschwester. Da Bayern ein weltoffenes Land ist, besteht die freie Wahl zwischen einem Besuch der katholischen oder evangelischen Kirche an jedem Sonntag.

JUHELA, taz.de

■ betr.: „Man spricht deutsch“, taz vom 8. 12. 14

Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass in Medienberichten über deutsche Auswanderer das Festhalten an Tradition und Erstsprache in der „Fremde“ stets als positiv und wünschenswert dargestellt wird. Da verklärt sich dann der Kommentar ins Sentimentale, wenn zum Beispiel auf Bali deutsche Weihnachtslieder oder ähnliches erklingen, man beschwört das „Stückchen Heimat im Herzen“ und bla und bla. Aber wehe, hierzulande erdreisten sich MigrantInnen, ihren Sprösslingen was anderes als Deutsch beizubringen.

Dabei ist mehrsprachiges Aufwachsen für Kinder ein echter Glücksfall, zumal die später erfolgende Unterscheidung zwischen deutschem und anderssprachigem Vokabular in der Regel keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Aber auch das mühelose Hin- und Herschalten zwischen beispielsweise Deutsch und Türkisch, zum Teil sogar innerhalb eines Satzes, fasziniert mich beim Zuhören immer wieder.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

■ betr.: „So blöd wie breit“, taz.de vom 6. 12. 14

Deniz Yücel arbeitet die dahinter sich verbergende Ideologie der vorgeblichen Homogenität heraus. Letztendlich ist es verspießerte 50er-Jahre-Adenauer-Idylle, während derer sich Otto-Normal-Spießer nicht mit Rollstuhlfahrern am Hotelpool, nicht mit sich küssenden Männern beim Rewe oder TV-Wetterfröschen mit türkischen Großeltern konfrontiert sah. Genau dieses Idylle-süchtige Publikum wird morgen Abend bei der Pegida-Montagsdemo in Dresden wieder zu belächeln oder zu bedauern sein.

DANIEL L, taz.de