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LIEBE Der Klassiker der Polyamourie liegt nun auf Deutsch vor

Offene Beziehungen und Polyamourie sind seit etwa fünf Jahren verstärkt in das Licht der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Zahlreiche Publikationen haben sich nichtmonogamen Lebensweisen wahlweise anekdotisch-praktisch, wissenschaftlich oder philosophisch angenähert.

Die Übersetzung des Poly-Klassikers „The Ethical Slut“ kommt da eigentlich verspätet. Bei Erscheinen 1997 in den USA wurde er mit Begeisterung aufgenommen, weil, seitdem in den 1960er Jahren die „freie Liebe“ propagiert wurde, wenig an Konkretisierung stattgefunden hatte. Die Autorinnen Janet Hardy und Dossie Easton praktizieren seit Jahrzehnten eine nichtmonogame Lebensweisen und haben zahlreiche Bücher über Liebe, Sex und Beziehungen herausgegeben. Einerseits handelt es sich bei ihrem Buch um ein klassisches Selbsthilfebuch, das im schulterklopfenden Ton zur Überwindung gesellschaftlicher Moralvorstellungen und Lustfeindlichkeit ermutigt und praktische Ratschläge etwa zum Umgang mit Konflikten, zu Safer Sex und zur Kindererziehung in Poly-Familien anbietet. Andererseits hatten die Autorinnen auch den Anspruch, mit Vorurteilen über polyamouröse Lebensweisen aufzuräumen und kulturelle Mythen über romantische Zweierbeziehungen zu entzaubern.

Sie reklamierten das Schimpfwort „Schlampe“ für sich und luden es mit einer sexpositiven Einstellung, Respekt und ja, auch Treue auf. Die Autorinnen, von denen eine sich selbst als „Drag Queen, die im Körper einer Frau gefangen ist“ bezeichnet, haben von der schwulen, lesbischen und Transkultur gelernt. Hier fanden sie Gegenmodelle zur heterosexuellen Anbahnungskultur. Das Buch ist bis heute eine lesenswerte Anregung – nicht nur für jene, die der Monogamie entsagen möchten. JOSEFINE HAUBOLD

Dossie Easton/Janet W. Hardy: „Schlampen mit Moral“. MVG Verlag, München 2014, 304 Seiten, 16,99 Euro