Was vom Aztekentanz übrig blieb

Einmal Rothaut, immer Rothaut: Das scheint das Schicksal von Gojko Mitić zu sein, Stargast in der Westernstadt Eldorado am Templiner See. Dort träumen Amerikafans, esoterische IndianerfreundInnen und bewaffnete Kinder von großen Abenteuern

VON JENNI ZYLKA

„Ich bin der Paul“, stellt sich der Cowboy mit dem Schnäuzer vor, der neben seinem kleinen Trapperzelt sitzt und eine Marlboro raucht. Er spricht es natürlich amerikanisch aus, „Pohl“, und gleich danach: „Wennde Dollar tauschen willst, musste da vorne inde Bänk.“ In der „Bänk“ bekommt man für zwei Euro einen „Eldorado-Templin“-Dollar; das ist zwar um einiges schlechter als der aktuelle Kurs, aber Templin ist eben auch nicht Texas.

Der wilde, wilde Westen fängt hier im ehemaligen Osten gleich hinter Zehdenick an, und die getauschten Dollar kann man in der putzigen, mitten in den uckermärkischen Mischwald gebauten Westernstadt mannigfaltig auf den Kopf hauen: Einen Dollar kostet es zum Beispiel, in einer kleinen Wasserplansche mit rostigen Schalen nach Gold zu suchen, ein kleines Gläschen mit echtem Edelstein inklusive, also so echt wie die Cowboys, die überall herumlaufen und rauchen. Daneben kann man Pony reiten, Bogen schießen, Gewehr schießen, sich neben mit Nivea geschminkten Indianern fotografieren lassen, Burger und Chips essen, auf Konföderierte schimpfen, sich anmalen lassen (wenn man ein Kind ist), eine Greifvogelschau angucken, mit Fransen behangene Hippieklamotten, Sättel und lustige Erinnerungsfotos kaufen, auf einem beeindruckenden Fort herumkraxeln, Büffeln beim Stuhlgang zuschauen und natürlich im Saloon Feuerwasser saufen, bis man rausgeschmissen und/oder gehenkt wird.

Wer dann den Weg nach Hause nicht mehr weiß, kann sogar in der Abenteuerstadt übernachten. Auf der „Main Street“ gibt es Westernhotels und auf dem am Templiner See gelegenen Gelände kleine, hölzerne Ranchhäuschen, vor denen am Nachmittag schon biertrinkendes, stiernackiges Campingplatzvolk sitzt und drauf wartet, dass die Grillkohle ausreichend glüht. Wer’s mag, kann sich auch ins Tipi hauen.

Am Wochenende war „Eldorado-Nacht“ mit Stargast Gojko Mitić, dem Ost-Winnetou, der mit seinen kurzen, weißgrauen Haaren und dem gemütlichen Holzfällerhemd mittlerweile zwar ein bisschen aussieht wie Paul Simon, aber bei der „Stuntshow“ immerhin noch ganz schön zackig aus der Postkutsche springt. Von seinem Ehrenplatz aus musste er dann zuschauen, wie eine Gruppe Stuntleute ein paar letzte Szenen aus Gojko-Mitić-Indianerfilmen nachspielte, kräftig durch die Luft purzelte und Platzpatronen verbrauchte.

Viel besser konnte man Mitić’ athletischen Oberkörper bei der politisch korrekten Indianerdarstellung dann später im großen Indianermuseumszelt auf einer kleinen Leinwand angucken: Ausschnitte aus den hübschen 60er-Jahre-DEFA-Filmen mit dem Jugoslawen in seinen besten Rollen, die einen realistischen Indianernamen nach dem anderen vorstellten – „Chingachgook“, „Tecumseh“ und „Ulzana“ klingen eben um Längen authentischer als Karl Mays alte Zitterhand. Zwischendurch lief Werbung für eine Mitić-Hommage auf DVD mit dem Titel „Mein Leben als Indianer“, was umso passender ist, als Mitić nach seinem 2006 beendeten Bad Segeberg-Winnetou-Stelldichein seit Frühjahr dieses Jahres den Häuptling Bromden in „Einer flog übers Kuckucksnest“ am Schweriner Staatstheater gibt – einmal Rothaut, immer Rothaut.

Auf dem Indianerkinderspielplatz konnte man derweil minderjährige Bleichgesichter an die dafür vorgesehenen Marterpfähle binden, oder man besuchte den kleinen Friedhof mit den schiefen Grabsteinen – auch eine Trauung in der dazugehörigen Kapelle ist möglich, mit anschließendem Baumstammsägen und Hufeisenwerfen.

Die Stimmung, die über der Westworld im Osten liegt, ist freundlich und bierzeltähnlich, und die etwas krude Melange aus dicklichen, langhaarigen Amerikafans mit Cowboyboots und Gewehr, soft-esoterischen IndianerfreundInnen und Familien mit begeisterten, bis über die Ohren bewaffneten Kindern lässt sich nicht von Fakten über Pockendecken oder die Schlacht am Wounded Knee aus der Ruhe bringen: Hier will man feiern, spielen und die Romantik ausleben, die man aus den einschlägigen Filmen kennt – „Abenteuer wie im Film“ ist der Slogan, mit dem die Templiner Cowboys ihren Freizeitpark bewerben.

Irgendwann am frühen Samstagabend läuft einem noch Yul Brunner als Androide in „Westworld“ samt Kopfverletzung über den Weg, von irgendwo kommen Rockabilly-Klänge, und am „großen Tipi“ gibt es Aztekentänze oder zumindest das, was davon nach der spanischen Eroberung noch übrig geblieben ist. Den rasselnden Schmuck, den die „Indsmen“ (Karl Mays Charaktere herablassend über die Ureinwohner Amerikas) am Fußgelenk tragen, kann man in einem anderen Tipi kaufen. Er hängt gleich neben den Cowboyhüten, den Perlengürtelschnallen und dem – nach Qi-Gong-Kugeln und Augenamuletten – neuen Lieblingsfolklorefirlefanz, den fedrigen „Traumfängern“.

Die Westernstadt Templin ist bis zum 31. Oktober geöffnet, Infos unter www.eldorado-templin.de