YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN
: Das Geschenk der Vielfalt

Glückwunsch, dachten die Transsexuelle und der HIV-Infizierte an Fidel Castros 85. Geburtstag. Und heirateten

Wendy und Ignacio warfen den Brautstrauß ins Meer, genau in jenem Bereich der Uferpromenade von Havanna, wo die Alten mit ihren Leinen und Haken Fische fangen. Es war Samstag, der 13. August, der Geburtstag Fidel Castros. Aber Havanna folgte dem Rhythmus einer ganz anderen Feier. Ein ganz besonderes Paar feierte seine Hochzeit. Sie, eine Transsexuelle, die eine Geschlechtsumwandlung hinter sich hat, er, ein HIV-positiver Schwuler, der wegen seiner politischen Überzeugungen stigmatisiert ist. Genau am Geburtstag eines Regierungschefs, der über Jahrzehnte eine homophobe Politik verfolgt hat, kleidete sich die Stadt in die Farben der Vielfalt. Es schien, als ob die Uhren ein paar Jahre vorgestellt worden seien in eine Zukunft, in der die Akzeptanz der Pluralität nicht nur eine Forderung der Dissidenten ist.

In Kuba ist die gleichgeschlechtliche Ehe nicht legal, aber Wendy und Ignacio nutzten eine kleine Gesetzeslücke. Dank des Einsatzes des Nationalen Zentrums für Sexualerziehung (Cenesex) unter Leitung von Mariela Castro hatte sie nämlich einen Personalausweis bekommen, der ihre Identität als Frau bestätigt. Sie war das Aushängeschild von Cenesex – bis sie die „Sünde“ beging, sich in einen ansteckenden Schwulen zu verlieben. Ignacio war schon in jungen Jahren im Gefängnis gewesen, weil er auf der Straße die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verteilt hatte. Hinter Gittern steckte er sich mit dem HIV-Virus an und entwickelte eine drastischere Sicht auf das Land. Als sich beide im Mai diesen Jahres kennenlernten, kamen sie aus Welten, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

Erst kamen Warnungen, dann bekam Wendy von Cenesex mitgeteilt, dass man ihr nicht mehr vertrauen könne, weil sie einen „konterrevolutionären“ Geliebten habe. Sie verließ das Institut türenknallend und ließ Jahre der Arbeit in einer Institution hinter sich, die sich selbst stets als Hort der Toleranz darstellt. Am nächsten Tag legten sie das Datum ihrer Hochzeit fest, den 85. Geburtstag des Oberkommandierenden. „Wir möchten ihm das Geschenk der Vielfalt machen, ihm, der sie nie zu akzeptieren wusste,“ sagten sie.

Als die Zeremonie vorüber war – Hunderte hatten mitgefeiert –, fuhren Wendy und Ignacio im offenen Cabrio durch die Stadt, die Homofahne über ihren Schultern. An der Promenade warfen sie den Brautstrauß ins Wasser – „für alle Homosexuellen, die beim Versuch, diese Insel zu verlassen, auf dem Meer gestorben sind“. Vor den antiquiert mannhaften Festungsanlagen gaben sie sich einen Kuss.

Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa