Grüne entdecken den Marktwert

Oppositionspartei will attraktiver werden, indem sie sich Wirtschaftskompetenz gibt. Ohne Streit geht das aber nicht

BERLIN taz ■ Ist Wirtschaftswachstum Raubbau an der Natur? Die Grünen wollen die Antwort auf diese Frage nun ausfechten. Die Partei will sich ein neues Wirtschaftsprofil geben – und so neue Wähler gewinnen. Das kündigte der Partei-Vorsitzende Reinhard Bütikofer gestern an. Der Partei steht ein Kampf bevor. Schlagwort: Grüne Marktwirtschaft.

Debatten in der Bundestagsfraktion haben bereits gezeigt, wie schwer den Grünen die neue Positionierung fällt. Im letzten Jahr haben einige Wirtschaftspolitiker der Grünen um den Fraktionschef Fritz Kuhn bereits das Papier „Mehr Wert – Grüne Marktwirtschaft“ verfasst. Sie schrieben: „Die unsichtbare Hand des Marktes wird grün“, in Anlehnung an den liberalen Wirtschaftstheoretiker Adam Smith. Das passte Partei-Ökologen wie Reinhard Loske gar nicht. Für sie versteckte sich darin auch zu viel Ökonomie – und zu wenig Ökologie.

Die Ansage nun: Die gesamte Partei diskutiert, wie stark der Staat für ökologische Mindeststandards und soziale Absicherung sorgen muss. Zum Auftakt haben die Grünen ein 130-seitiges Buch „Grüne Marktwirtschaft“ veröffentlicht – mit 20 wirtschaftspolitischen Ideen von Parteimitgliedern, aber auch von Managern und Gewerkschaftern.

Beispiele: Loske schreibt über die Grenzen des Wachstums: „Wir haben als Industriegesellschaften schlicht und einfach ein Mengenproblem.“ Kuhn verspricht derweil, „ökologische Modernisierung“ sorge für ein „qualitatives Wachstum“. Und Margareta Wolf, Fraktionssprecherin für Außenwirtschaftspolitik, fordert „Schluss damit, dass sich Männernetzwerke gegenseitig die Aufsichtsrats- und Vorstandspositionen zuschieben“. In dem Sammelsurium findet sich für jeden etwas.

Biedert sich die Oppositionspartei an? Den Strategen fehlen derzeit Projekte wie einst der Atomausstieg oder die Ökosteuer. „21 Prozent der Selbständigen haben bei der Landtagswahl in Bremen grün gewählt“, sagt jedoch Bütikofer – „wir haben Zulauf“. Er hoffe, dass zudem „Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherbewegung und Globalisierungskritiker bei uns Grünen andocken“. In Umfragen kommt die Oppositionspartei derzeit auf 10 Prozent.

Im November wollen die Grünen in München einen Kongress zur „Grünen Marktwirtschaft“ organisieren. Das neue Wirtschaftsprofil, so meint Bütikofer, solle bereits in die Landtagswahlkämpfe 2008 einfließen.

HANNA GERSMANN