Ausgrenzungen verhindern

betr.: „Die Dümmermacher“, „Wir sperren behinderte Kinder aus“, taz vom 26. 7. 07

Ich frage mich, warum viele gehörlose Jugendliche, die außer ihrer Hörbehinderung keine Einschränkung haben, die für sie konzipierte Schulform verlassen und weder auf die Anforderungen der Berufswelt vorbereitet sind, noch die Kernkompetenzen wie Schreiben und Lesen so sicher beherrschen, dass sie beruflich bestehen können.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Grundsätze über Gehörlosigkeit und die daraus erwachsenden Informations- und Wissensdefizite, sind hinlänglich bekannt, finden aber nur mühsam den Weg in den Schulalltag. Liegt es auch daran, dass die dort unterrichtenden PädagogInnen die Gebärdensprache oft nur rudimentär beherrschen und so eine sichere Kommunikation und gute Zusammenarbeit zwischen LehrerInnen und SchülerInnen gar nicht erst entstehen kann?

Schwerhörigenschulen sind in aller Regel technisch so gut ausgestattet, dass der Unterricht lautsprachlich über die Hörgeräte und Mikrophone erfolgen könnte. Leider nur steht auch hier in der Regel die beste Technik, die im Übrigen aus Steuermitteln finanziert wird, ungenutzt herum. Die wichtigste Voraussetzung, um später im Beruf selbstbewusst mit der Hörschädigung und den technischen Hilfsmitteln umgehen zu können, wird nicht im Schulalltag quasi nebenbei erlernt. Die Jugendlichen müssen sich in ihrem weiteren Ausbildungsweg die Technik erst erarbeiten und mühsam lernen, damit angemessen umzugehen. Und das im Grunde nur, weil die Lehrer keinen Zugang zur vorhandenen Technik finden.

Mir ist erst deutlich geworden, wie früh und grundlos wir diese Gruppe aussperren, als ich Berichte über bilingualen Unterricht in Österreich gesehen habe. Die gehörlosen Kinder werden in der Regelschule unterrichtet, haben eine Lehrerin zur Seite, mit der sie in Gebärdensprache sicher kommunizieren können und müssen sich wie ihre MitschülerInnen strecken, um Erfolge zu erzielen.

So erschließt sich mir nicht, in welcher Form die SchülerInnen in unseren Schulformen gefördert werden, wenn ihnen spätestens bei Eintritt ins Berufsleben klar gemacht werden muss, dass sie in den meisten Bereichen, die sie sich eigentlich in der Schulzeit hätten aneignen müssen, nicht mit anderen SchülerInnen konkurrieren können. Und es erschließt sich mir auch nicht, warum sich die überbetrieblichen Ausbildungsangebote für Gehörlose vielfach auf die Bereiche Zahntechnik und technisches Zeichnen beschränken. Das lässt nur den Schluss zu, dass die Förderschulen sich weder der Potenziale ihrer Schüler annehmen, noch konzeptionell daraufhin gearbeitet wird, Marginalisierungen und Ausgrenzungen durch tatsächliche Förderung möglichst zu verhindern.

BARBARA RICHTER, Hagen