Die Rebellen erwarten den baldigen Sieg

KÄMPFE Mit der „Operation Sirene“ soll Machthaber Muammar al-Gaddafi umzingelt werden. Die Nato unterstützt die Offensive. Gaddafi ruft seine Anhänger zum entscheidenden Kampf auf

Die Rebellen rechnen damit, dass es mehrere Tage dauert, bis Gaddafi umzingelt ist

TRIPOLIS/BRÜSSEL afp, dpa | Sechs Monate nach Beginn des Aufstands gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi haben die Rebellen eine Offensive auf Tripolis gestartet. Mit der am Samstagabend begonnenen „Operation Sirene“ soll Gaddafi den Aufständischen zufolge in der Hauptstadt umzingelt werden. Augenzeugen berichteten von Gefechten und Explosionen in mehreren Stadtteilen, während Einheiten der Rebellen weiter auf Tripolis vorrückten. Kämpfer wurden den Rebellen zufolge auch per Schiff von Misurata zum Kampf in die Hauptstadt gebracht.

Bei ihrem Vormarsch auf Tripolis nahmen die Aufständischen eine strategisch wichtige Kaserne westlich der Hauptstadt ein und nahmen Waffen und Munition an sich. Die an der Straße nach Sawijah gelegene Kaserne galt als schwierigste Hürde auf dem Weg der Rebellen in die Hauptstadt. Zudem befreiten Rebellenkämpfer Dutzende Häftlinge aus einem Gefängnis, in dem Gaddafi-Gegner inhaftiert waren. Viele der Häftlinge sahen abgemagert aus, einige wiesen Spuren von Folter auf.

An der Offensive seien Kämpfer innerhalb der Hauptstadt sowie Einheiten im Umland beteiligt, sagte der Sprecher des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Ahmed Dschibril. „Wir rechnen damit, dass es mehrere Tage dauern dürfte, bis Gaddafi umzingelt ist.“ Der Präsident des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, sagte in der Rebellenhochburg Bengasi, dass der Sieg über Gaddafi kurz bevorstehe. „Wir haben Kontakt zu Menschen im inneren Führungszirkel Gaddafis“, so Dschalil. Alles deute darauf hin, dass „das Ende sehr nah“ sei.

Die Nato bestätigte Kampfeinsätze am Samstag auf Libyens Hauptstadt. Nato-Flugzeuge hätten allein in Tripolis 22 Ziele angegriffen, berichtete die Nato am Sonntag in Brüssel.

Gaddafis Regierungssprecher Mussa Ibrahim sprach von „kleinen Auseinandersetzungen“. Die Situation sei aber wieder unter Kontrolle. Die frühere Nummer zwei der libyschen Regierung, Abdessalem Dschallud, forderte unterdessen den Stamm Gaddafis auf, sich von dem Machthaber abzuwenden. Dschallud hatte Gaddafi bei dessen Putsch 1969 unterstützt und galt zwei Jahrzehnte lang als dessen engster Vertrauter. Er war zu den Rebellen übergelaufen und traf am Sonntag mit seiner Familie in Italien ein.

Gaddafi zeigte sich allerdings kämpferisch und forderte seine Anhänger in einer über das Staatsfernsehen verbreiteten Audiobotschaft zum Widerstand auf: „Ihr müsst zu Millionen marschieren, um die zerstörten Städte zu befreien!“ Die Rebellen nannte der Machthaber „Verräter und Ratten“, die libysches Öl für Frankreich sichern wollten. Sein Sohn Seif al-Islam sagte im Staatsfernsehen, die Führung habe „einen langen Atem“. Allerdings hielten sich Gerüchte, dass Gaddafi seine Flucht aus dem Land vorbereitete.

Die Rebellen vermuten Gaddafi in Tripolis. Der Sprecher des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Ahmed Dschibril, rechnet mit zwei Szenarien: Entweder werde sich Gaddafi in den kommenden Tagen ergeben, oder er schaffe es, sich aus Tripolis in eine andere Region oder ins Ausland abzusetzen. Sollte sich Gaddafi entscheiden, Libyen zu verlassen, würden die Rebellen dies „positiv begrüßen und akzeptieren“.