Lieber nach Bremerhaven

Das Auswandererhaus Bremerhaven ist ein Publikumsmagnet, ein solcher möchte das kürzlich eröffnete Hamburger Migrations-Museum Ballinstadt erst noch werden. Knapp eine halbe Million Besucher hat sich das Museum seit der Eröffnung im August 2005 angesehen

Da muss sich Hamburg warm anziehen. Und das liegt nicht am miesepetrigen Sommer. Das Auswandererhaus Bremerhaven ist ein Publikumsmagnet, ein solcher möchte das kürzlich eröffnete Hamburger Migrations-Museum Ballinstadt erst noch werden. Der mehr als 20 Millionen Euro teure Bau in der Stadt an der Wesermündung wurde vom Land Bremen finanziert, um gegen den wirtschaftlichen Niedergang und Arbeitslosenhöchststand eine touristische Attraktion zu setzen – als neues Standbein für den Strukturwandel und als Kristallisationsort für Stadtgeschichte.

Dokumentiert wird seit August 2005 die Geschichte von mehr als sieben Millionen Menschen, die zwischen 1830 und 1974 über die Hafenstadt per Schiff Europa verließen. Im ersten Betriebsjahr wollten sich 230.000 Besucher, im zweiten 240.000 darauf einlassen, wie gestern auf der Jahrespressekonferenz verkündet wurde. Für das noch junge 13-Millionen-Euro-Projekt in Hamburg rechnet man mit lediglich 150.000 Gästen pro Jahr.

„40 Prozent kommen aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda ins Auswandererhaus Bremerhaven“, sagt Direktorin Simone Eick. Und in den vergangenen vier Wochen, den ersten nach der Eröffnung des Hamburger Pendants, konnte mit 28.000 Besuchern der zweitgrößte Zuspruch seit der Eröffnung verzeichnet werden. Deswegen blickt Eick gelassen auf die hansestädtische Konkurrenz, die sie „positive Ergänzung“ nennt.

In der historischen Auswandererbaracke im Stadtteil Veddel werde Hamburg auch als Transitstadt beleuchtet. In Bremerhaven wird vornehmlich fokussiert, was die Emigranten zum Verlassen der Heimat gebracht hatte, wie sie die Reise über den Ozean erlebten und was aus ihnen geworden ist.

Zu erwarten sei nicht, „dass sich die beiden Erlebnismuseumskonzepte gegenseitig Besucher wegnehmen werden“, sagt Eick. „Der klassische Hamburg- Tourist besucht auch Ballinstadt oder nicht, aber nicht Bremerhaven. Ein Viertel unserer Besucher kommt extra wegen des Auswandererhauses nach Bremerhaven.“ 30 Prozent würden gar Anfahrten von mehr als 250 Kilometern in Kauf nehmen. Darunter auch viele Genealogie-Touristen aus den USA.

Die Mehrzahl komme aber weiterhin aus Oldenburg, Bremen, Hannover und von den Stränden der Nordsee – gerade in einem verregneten Sommer wie in diesem Jahr.

Dass kaum Besucher aus Hamburg den Weg nach Bremerhaven fänden, kann sich Eick nur mit einer riesigen Glaswand erklären, die irgendwo zwischen Elbe und Weser stehen müsse. „Wir haben mehr Bayern als Hamburger hier, die orientieren sich wohl eher nach Berlin.“

Woran auch die Tatsache nichts ändern werde, dass das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven zum besten europäischen Museum des Jahres 2007 gekürt wurde. Das europäische Museumsforum begeisterte sich insbesondere für die „emotionale Vermittlung von Geschichte über Inszenierungen“. Der Preis wird einmal im Jahr vergeben und ging das erste Mal seit 15 Jahren wieder nach Deutschland.

Der Erfolg des Museums in Bremerhaven hat Folgen. Inzwischen können 70 MitarbeiterInnen in Voll- und Teilzeit beschäftigt werden. Drumherum entsteht im Projektgebiet Alter/Neuer Hafen bis Mitte 2008 das, was bereits unter www.havenwelten.de zu bewundern ist: Zum Auswandererhaus und dem gegenüber gelegenen Zoo am Meer gesellen sich das architektonisch auffällige Hotelhochhaus „Sail City“, das „Erlebnis-Einkaufszentrum Mediterraneo“ und ein „Klimahaus“, in dem sich die Besucher durch eine Vielzahl von Klimazonen schwitzen und frieren können. JENS FISCHER