LONG PLAYING RECORD
: Jukebox - Der musikalische Aszendent

Und ewig spielt man bei den Schmuddelkindern

Das ist dann schon der Ort, an dem man eigentlich nicht wohnen möchte im wirklichen Leben. Dort im Souterrain, wo einen kaum einmal die Sonne besuchen kommt. Wer dort wohnt, macht’s gezwungenermaßen, weil es halt billiger ist. Diese Bedürftigkeit erklärt so zu Teilen schon das Wort: den Underground. Weil der eben dort hausen musste, in den Kellerlöchern, den Kaschemmen und Hinterhöfen, und bereits deswegen nicht zur Beletage der Kultur zählt. Also der offiziellen. Wer könnte die dortigen Mietpreise denn auch bezahlen?

Dass aber nach gutem Brauch ein Schmähbegriff bei den Geschmähten zum Trotz mit Stolz und Gloria aufgeladen wird, ist natürlich genauso klar. Jetzt am Samstag ist es mal wieder so weit, im Yaam beim – Tusch, trara – „Royal Underground“-Festival, wo Alec Empire, Bettina Köster, Cobra Killer und viele mehr auf der Bühne dafür einstehen, sich nur nicht vereinnahmen zu lassen, von nichts und niemanden. Schließlich lässt sich im Kampfbegriff Underground auch das leise Resistenza-Echo aller Untergrundbewegungen hören. Und schon ist man mittendrin in diesem M/M-Syndrom, wo die Minderheit gegen die Masse steht. Wenn es gegen den Mainstream geht, bildet sich die Minderheit darauf gern was ein, zumindest auf ihren guten Geschmack, und sie hat damit ja auch Recht, weil da in der so genannten Underground-Kultur eine Menge an großartigen Dingen gewerkelt wurde. Im Film. In der Literatur. In der Musik. Viel Gutes. Und noch mehr eine ganze Menge Schrott. Wo aber beherzt gegen die etablierte, die kommerzielle Kulturproduktion angestunken werden muss, darf so was nicht weiter von Bedeutung sein. Prinzipiell Gutes kann nur gut sein, was die Zusammenhänge immer auch etwas enger macht. Szenischer eben. Das erinnert etwas an das bereits nostalgische Schwärmen für die illegalen Clubs in der Stadt. Auch irgendwie Underground, diese feiernden Solidargemeinschaften, für die sich der Wirtschaftskontrolldienst nicht zuständig erklärte und die im Zweifelsfall lieber erst mal keine Steuern zahlen.

Aber Subversion soll ja Aufgabe des Underground sein. Allemal eine existenzielle Angelegenheit, selbst wenn zumindest im Kulturbetrieb längst alle verfügbaren Türen eingerannt sind. Doch für die Straßenkredibilität kann man sich immer noch am Türrahmen den Kopf blutig schlagen. Eine schöne Pose. Underground trägt sie genauso blöd vor sich her wie andere ihr Prada-Täschchen. THOMAS MAUCH