BERLINER PLATTEN
: Fastalleskönner Thomas Fehlmann und Sascha Ring haben neue Alben

Eine Besonderheit der elektronischen Klangerzeugung gegenüber traditionellem Musikmachen ist es, dass kaum mehr personell getrennt wird zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen. Der Musikant wird ganz schnell multipel, wird DJ und Produzent, Label-Betreiber und Art-Direktor. Auch die Promotion bleibt oft in Künstlerhand und selbst der Vertrieb, zumindest der nicht-physische übers Internet, wird immer mehr vom Künstler selbst übernommen. Zwei dieser Fastalleskönner haben unlängst neue Platten herausgebracht.

Thomas Fehlmann, geboren 1957 in Zürich, traf in grauer Vorzeit mal Robert Fripp, entdeckte als einer der ersten den Synthesizer, wurde anlässlich der Neuen Deutschen Welle dann in Hamburg Mitbegründer der avantgardistischen Kurkapelle Palais Schaumburg und nach deren Ende Produzent für Tanzbodenfüller, eröffnete mit Teutonic Beats eines der ersten Electronic- Label hierzulande, war zeitweise und immer mal wieder Mitglied bei The Orb, rief das DJ-Projekt Ocean Club ins Leben, macht seit Mitte der Neunziger schon das dazugehörige Ocean Club Radio – irgendetwas ist hier jetzt sicher vergessen worden – und außerdem programmiert er immer wieder auch noch Musik. Diesmal unter dem Titel „Honigpumpe“. Es ist exstatisch pulsierende Musik, die weite Räume abschreitet und gern den Tanzboden anhebt. Es ist aber auch ruhig schwebende Musik, die sich ins eigene Zentrum zurückzieht und die Couch auspolstert. Musik, die verschwenderisch in ihren schillernden Oberflächen ist, aber ebenso karg in ihren archaischen Beats. Musik mal reflexiv, mal extrovertiert. „Honigpumpe“ wirkt ein wenig so wie ein Spätwerk: Onkel Fehlmann schreitet noch mal seine ewig weiten Ländereien ab, zeigt seinen Erben, was er alles zusammengetragen hat in seinem langen, ereignisreichen Leben.

Nicht ganz so umfangreich ist die Biografie von Sascha Ring, aber der ist mit nur 28 Jahren auch entschieden jünger. Aber auch er ist erfolgreicher DJ, half Gianna Nannini Kreativblockaden zu überwinden, legte den Laptop zeitweise zur Seite und gründete eine Band, und war bis letztes Jahr zusammen mit T.Raumschmiere Betreiber des Rocksau-Electro-Imperiums Shitkatapult. Als Apparat allerdings hat Sascha Ring schon immer atmosphärischere Musik produziert. Mit „Walls“ entdeckt er nun sogar den Pop. Die Instrumentals atmen zwar wieder die luftig-melancholische Stimmung, die man von Apparat bereits kennt, aber die restliche Hälfte der Stücke ist mit Gesang verziert. Meist mit dem von Raz Ohara, der zum mal schwitzigen, mal schabenden, aber immer überraschend organischen Maschinensoul entsprechend lasziv die Stimmbänder dehnt. Aber auch Ring selbst singt. Man merkt zwar, dass seine Stimme nicht geübt ist, ein wenig fehlt ihr auch die Ausdruckskraft, aber so verloren, wie sie durch das zerbrechliche „Birds“ tapert, entwickelt sie eine eigentümliche Stärke. Stimme ist hier nicht Selbstentäußerung, sondern vor allem ein Klang mehr. Und eben noch eine Facette, die sich einer der elektronischen Multitasker zutraut. THOMAS WINKLER

Thomas Fehlmann: „Honigpumpe“ (Kompakt/ ough Trade) Apparat: „Walls“ (Shitkatapult/Alive)