„Da sing ich lieber selber eins“

Die Biografen seiner Generation seien Westernhagen und Grönemeyer, sagt Funny van Dannen. Und ebendarum hat er selbst zum Mikrofon gegriffen. Allerdings nicht, um den Pausenclown zu spielen: Das Leben sei so absurd wie seine Lieder

FUNNY VAN DANNEN, 49, geboren in Tüddern an der niederländischen Grenze, lebt seit 1978 in Berlin, gründete die Lassie Singers und verließ sie schnell wieder, malt Bilder, schreibt kurze Geschichten und singt Lieder. Auf seinem neuen Album „Trotzdem Danke“ (JKP/Warner) sind es 24. Er schreibt auch Stücke für die Toten Hosen, die daraus Hits machen. Richtig reich ist er trotzdem nicht. Dafür hat er vier Söhne im Alter von 9 bis 24 Jahren, alle von derselben Frau. TO

INTERVIEW THOMAS WINKLER

„Trotzdem Danke“ ist Ihr Jubiläums-Album, Ihr zehntes. Was unterscheidet es von Ihren bisherigen?

Funny van Dannen: Nichts, glaub ich. Das ist eigentlich alles genau so, wie ich es auch vorher gemacht habe.

Immerhin ist es im Studio aufgenommen. Die meisten Ihrer bisherigen Platten waren live vor Publikum eingespielt.

Ja, das stimmt. Der Grund, das diesmal anders zu machen, war eigentlich, dass wir das Studio jetzt zuhause haben. Da hab ich das mal probiert, ob das funktioniert. Weil, das fänd ich für die Zukunft eigentlich ganz schön, mal kurz so in den Keller gehen und was aufnehmen zu können. Gerade so spontane Sachen, das find ich schon wichtig. Oft hängt’s an einem Moment, an so einem Impuls, und wenn man es dann nicht aufnimmt, dann wird’s nachher wieder anders.

Das Studio liegt im Keller?

Ja, im Keller. Die Jungs haben sich da für ihren Hiphop so ein Studio eingerichtet.

Die Jungs?

Ja, meine beiden großen Söhne machen Hiphop. Der zweite, der auch meine Platte aufgenommen hat, macht die Beats und die Samples, und der Große macht die Texte und tritt auf damit. Das machen sie eigentlich ganz gut.

Sie sind der Hausmann, der nach dem Rechten sieht und auch mal was aufnimmt?

Ich bin kein Hausmann. Ich hab nichts gegen Hausmänner, auch nichts dagegen, Hausmann zu sein, aber ich bin halt keiner. Ich hab meinen Beruf, und die Familienarbeit teile ich mir mit meiner Frau. Ich kann meine Arbeit zuhause machen, das ist halt praktisch.

Wie hat man sich die Arbeitsaufteilung vorzustellen zwischen Ihnen und dem produzierenden Sohnemann? Traut der sich überhaupt zu kritisieren?

Der ist ganz klar im Kopf und im Urteil eigentlich besser als ich. Der gibt mir schon Signale, hat seine eigenen Vorstellungen und dirigiert mich da schon.

24 Songs sind auf dem neuen Album. Woher kommt diese unheimliche Produktivität?

Weiß ich nicht, ist einfach so. Macht sich übrigens auch nicht bezahlt. Das hab ich unlängst zufällig aus so einem Gema-Brief erfahren, dass es ungünstig ist, mehr als 12 Songs auf eine CD zu packen, weil man pro Song dann weniger bekommt. Bekloppt, was? Aber ich hab eigentlich immer mehr als doppelt bis dreimal so viele Songs in der Mache, als es dann auf die Platte schaffen.

Wird man auch nach Ihrem Ableben wie bei Woody Guthrie kofferweise unveröffentlichte Songs finden?

Ich hab da so einen Packen lose Blätter. Und ich hab so Poesiealben, in denen alles drinsteht. Ich kauf mir auch schon mal eine schöne Kladde beim Künstlerbedarf. Da schreib ich alles rein, auch Zeichnungen und Collagen.

Wie viele Songs liegen mittlerweile auf dem Friedhof?

Ich schätze, das werden schon so 150 sein. Hab ich nicht gezählt, und alle sind ja auch nicht ausgearbeitet. Manche sind schon fertig, aber das war dann wohl vergebliche Müh’. Dann passieren aber wieder lustige Sachen: Ich hatte mal ein Lied, das hieß „Die Amis wollen das Luft- und Wassermonopol“. Da hab ich gedacht, ach komm, das ist doch ein bisschen arg platt. Dann aber hab ich einen Bericht in der Glotze gesehen über diese Gensequenz-Kopierer von Monsanto. Und dann dachte ich, so weit weg war das gar nicht. Vielleicht hole ich den Song jetzt noch mal raus.

Ist Absurdität Ihr Prinzip?

Doch, kann man schon sagen. Absurdität stimuliert mich, das macht mir schon Freude. Andererseits fand ich diese Absurdität eigentlich immer normal und ich habe mich am Anfang immer gewundert, dass die Leute das nicht so sehen wie ich.

Das Publikum glaubte, Sie übertreiben?

Ja, genau. Aber diese Texte entsprechen schon meinem Lebensgefühl. Ich empfinde meine Situation in dieser Welt so. So absurd. Man hat diesen Glücksanspruch an das Leben, aber der Großteil der Leute verhält sich so, dass er garantiert nicht glücklich wird im Leben.

Ist die Absurdität des Daseins Ihr Lieblingsthema?

Ich habe eigentlich kein Thema. Das Thema ist das Leben, ich hab da keine Einschränkungen.

Sind Sie ein guter Beobachter?

Eher so aus dem Augenwinkel, ich krieg eher Atmosphären mit. Ich sitze ganz selten einfach da und beobachte Leute. Das mach ich auch nicht gern, da hab ich keinen Spaß dran. Dazu gehen mir viele Leute auch zu sehr auf die Nerven, als dass ich mir das reinziehen möchte.

Sie sind also eher Biograf einer Generation?

Meine Generation hatte andere Biografen. Westernhagen und Grönemeyer. Solche Leute waren auch ein Grund dafür, dass ich noch mal zur Gitarre gegriffen habe. Weil ich gedacht habe, das kann’s ja wohl nicht sein, dass das die Einzigen sind, die hier noch mal ein deutsches Lied singen. Da sing ich dann lieber selbst noch eins.

Sind Sie dann eher der Hofnarr oder Pausenclown?

Die Frage stellt man sich natürlich immer als Künstler, ob man für irgendjemand den Hofnarr oder Pausenclown spielt. Ich hab auch nichts gegen eine gewisse Dienstleistung. Wenn ein Lied von mir einem Menschen Freude macht oder eine schöne Begleitung durch den Tag ist, dann ist das schon okay. Aber Pausenclown oder Hofnarr sind schon sehr abwertende Begriffe.

Das sind doch ehrenvolle Aufgaben. Der Hofnarr hält den Spiegel vor: Guckt mal, so waren eure Ideale, das ist aus euch geworden.

Ja, aber das würde ich mir nicht anmaßen. Wenn jemand seine Ideale verloren hat, dann wird’s dafür Gründe geben, und darüber würde ich nicht so leichtfertig urteilen. Ich bin nicht so ein Belehrer. Jedenfalls mach ich es nicht bewusst. Natürlich hab ich moralische Grundsätze, aber ich kann anderen Leuten nicht sagen, wie sie Sachen sehen sollen.

Sie haben vier Söhne. Und es gibt viel zu wenige gute Kinderlieder. Wäre das nicht mal eine Aufgabe?

Das ist nicht so meine Sache. Ich finde es auch bedenklich, dass Leute ihre Kinder meine Platten hören lassen, ohne auszuwählen. Ich finde, manche meiner Lieder sind für Kinder einfach nicht geeignet, die sind zu düster oder zu komplex. Obwohl, da fällt mir die tolle Geschichte von der Frau aus Düsseldorf ein, die mir mal gemailt hat: Die hatte zwei entwicklungsgestörte Kinder, Frühchen glaub ich, die fingen einfach nicht an zu sprechen. Die hatte meine Platte öfter gehört und eines Tages sangen die Kinder mein Lied „Menschenverachtende Untergrundmusik“. Da ging das mit der Sprachentwicklung langsam los.