Wirtschaft gegen Volksinitiative

ENERGIEVERSORGUNG Handelskammer hält eine Verstaatlichung der Netze für sinnlos. Die Volksinititative für den Rückkauf verspricht sich davon mehr Gestaltungsspielraum, SPD und GAL schließen sich an

Die Konzessionsverträge für das Strom-, Gas- und Fernwärmenetz in Hamburg laufen bald aus.

■ Volksbegehren: Gut 116.000 Unterschriften hat die Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ für einen kompletten Rückkauf der Netze gesammelt. Einigen sich Initiative und Senat nicht, kommt es zu einem Volksentscheid.

■ Privatisierung: Der Senat hat die Energieversorgungsunternehmen der Stadt, HEW und Hein Gas, zwischen 1988 und 2002 verkauft. Mit den Unternehmen gingen die Versorgungsnetze ins Eigentum von Vattenfall und Eon Hanse über.

Die Handelskammer hat sich am Dienstag gegen das Volksbegehren „Unser Hamburg – unser Netz“ positioniert. Ob die Stadt 25 oder 75 Prozent der Energienetze zurückkaufe sei gleichgültig. „Der Einfluss ist auf jeden Fall gering bis Null“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Hamburg solle sich deshalb gar nicht an den Netzen beteiligen, weder zu 100 Prozent, wie es das Volksbegehren vorsieht – noch zu 25,1 Prozent, wie es Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) anstrebt.

Die Kammer greift damit in die Diskussion über die Rekommunalisierung des Strom-, Gas- und Fernwärmenetzes ein. Am heutigen Mittwoch debattiert die Bürgerschaft über Anträge der Linken und der SPD zum Thema. Bis zum Jahresende hat der SPD-Senat Zeit, der Volksinitiative entgegenzukommen. Andernfalls käme es zu einem Volksentscheid.

Aus Sicht der Handelskammer gibt es keine Rechtfertigung für einen Rückkauf der Energienetze. Weder die Versorgungssicherheit noch der Klimaschutz werde dadurch besser, und auch die Verbraucherpreise würden nicht sinken. Keiner der mehr als 100 Stromanbieter beklage sich darüber, dass ihm der Zugang zum Netz erschwert werde.

Die Durchleitungsgebühren würden von der Bundesnetzagentur festgelegt, hier gebe es keinen Spielraum. Und die Versorgungssicherheit sei heute schon spitze. Dagegen müsste die Stadt für den Kauf einen weiteren Kredit aufnehmen.

Ob sich ein Kauf ökonomisch trotzdem lohnen würde, wollte Schmidt-Trenz nicht einschätzen. Manfred Braasch von der Initiative hält das für ein sicheres Geschäft. Schließlich garantiere die Bundesnetzagentur eine Rendite. Im übrigen sei es entscheidend, dass die Stadt auf das Fernwärmenetz zugreifen könne. Dieses sei nicht reguliert und werde monopolistisch von Vattenfall genutzt. Hier müssten Einspeisemöglichkeiten für dezentrale Energieerzeugungsanlagen geschaffen werden.

Die SPD bekräftigte ihr Ziel, sich strategischen Einfluss auf die Netze zu verschaffen. Dafür reichten 25,1 Prozent. „Die Bürger wollen wieder mehr Einfluss auf die Energiepolitik“, sagte Fraktionschef Andreas Dressel. Sein GAL-Kollege Jens Kerstan fühlte sich von der Kammer bestätigt: 25,1 Prozent seien zu wenig, die Politik müsse mehr Einfluss gewinnen. GERNOT KNÖDLER