Wind und Gesang
: Dresscode

Am Wannsee ist an diesem Abend Sturm

Was zieht man für die Oper an, wenn die an einem kühlen Sommerabend im Freien stattfindet? Eine schwierige Frage, auf die die Zuschauer der „Zauberflöte“, die von Katharina Thalbach inszeniert im Strandbad Wannsee aufgeführt wird, sehr unterschiedliche Antworten finden. Bereits beim Aussteigen aus der S-Bahn ziehen diejenigen unter den Damen, die es sich nicht nehmen lassen, in Spitzenstrumpfhosen unter kurzen Röcken zu paradieren, ungläubige bis spöttische Blicke auf sich.

Die meisten haben sich wetterfester gewandet; die Open-Air-Profis unter uns schlenkern offensiv mit Kissen und Decken. Ich selbst werde mich später freuen über die Entscheidung, meine wärmste Hose anzuziehen und ein Ganzkörperwolltuch im Rucksack mitzuführen.

Denn am Wannsee ist an diesem Abend Sturm. Großes Mitgefühl gilt der Königin der Nacht, die, von einer Hebebühne gehalten, in schwindelnder Höhe über der Bühne schwebt und schutzlos den Elementen der Lüfte ausgeliefert ist. Bedenklich zerren sie an ihren schwarzen Flügeln, bis ein Teil des Kopfputzes davon- und in die Ränge hineinsegelt.

In der Pause promenieren wir bis über die Ohren vermummt am Strand, die Hände fest um die erworbenen Heißgetränke geschlossen. Anschließend wird allen wieder ein wenig wohler. Denn der Sturm hat nachgelassen und die herzerwärmendsten Passagen der Oper kommen erst jetzt, Paminas „Ach, ich fühl’s“ (herrlich gesungen von Katharina Leyhe) und natürlich Papagenos großes Glück, ein Weibchen zu finden. Zum Abschluss des Abends gibt der Merchandising-Verkäufer noch eine Kleidungsidee mit auf den Weg. „Glühwein, Wärmflaschen, heiße Höschen!“, dröhnt er den Heimkehrenden hinterher. In Wirklichkeit muss man sich das alles natürlich selbst besorgen. Was er verkauft, sind Mozart-Entchen und Regencapes. KATHARINA GRANZIN