Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

So hatte man sich das gedacht: Erst mal in aller Ruhe ein Käffchen im Café K trinken, in der Sonne, im Garten des Georg-Kolbe-Museums, um sich so gestärkt dann die Kunstkammer No. 12 anzuschauen. Aber dann ist das Café K rappelvoll, vornehmlich mit fünf- bis sechsjährigen Kindern. Sie haben Sekt geordert, schließlich wurden sie gerade eingeschult und da lässt man es heute – anders als zu meinen Zeiten – krachen. Na ja, ich geb’s zu, der Crémant ging an die Eltern.

Aber auch sonst herrschte für das Museum erfreulicher Hochbetrieb. Um in die Kunstkammer zu kommen, muss man sich seinen Weg durch wenigstens vierzig Leute bahnen, die sich im Raum davor im Aktzeichnen übten. – Also Chorsingen ist nicht der einzige kulturelle Massensport unserer Zeit.

Der „Damenbesuch“, Rebecca Thomas’ Kunstkammer-Installation, könnte vielleicht auch als Akt durchgehen. Glücklichweise ist es in der Kammer zu dunkel, um zu zeichnen. Es dauert eine Weile, bis die Dame – mit Unterleib, aber ohne Kopf – zu erkennen ist. Sie hat einen ausgestopften Stoffkörper, an dem hell glänzende Füße, Brüste und eine Hand aus Acrylharz auffallen. Die Figur steht auf einem Erdklumpen-Sockel, wobei ihr rechter Fuß auf einem sichelförmig gekrümmten Karpfen steht. Ihres rechten Arms ist sie verlustig gegangen. Immerhin bleibt ihr die linke Hand, mit der sie sich an die rechte Brustwarze fasst.

Das erinnert an die Darstellung der heiligen Maria als Mondsichelmaria einerseits, vor allem aber als Maria lactans, die ihrem Kind die Brust zum Trinken reicht, andererseits. Gleichzeitig erkennt man die leicht verlotterte Hans-Bellmer-Puppe genauso wie den antiken Frauentorso. Doch, das hat schon was, wie es Thomas (*1982) gelingt, mit leichter Hand eine geballte Ladung Kunstgeschichte an den Mann oder die Frau zu bringen.

■ Rebecca Thomas: Damenbesuch – Kunstkammer No. 12; bis 23. Oktober, Di.–So. 10–18 Uhr, Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25