Der muntere Imagewechsler

Es war mitten in der Nacht zu Dienstag, als Saif al-Islam al-Gaddafi vor dem Rixos-Hotel in Tripolis auftauchte und ausländische Journalisten zu einer Spazierfahrt durch die Hauptstadt einlud. Der zweitälteste Sohn des libyschen Machthabers suchte sich für die überraschende Tour Stadtviertel aus, die als Hochburgen des Regimes gelten. Überraschend war die Fahrt, weil zuvor der Chef des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, und der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) bekannt gegeben hatten, Saif al-Islam sei festgenommen worden. Der ICC hat einen internationalen Haftbefehl gegen das „Schwert des Islams“ ausgestellt.

Überraschend war auch ein Interview, das der 1972 geborene Ingenieur und Architekt am 3. August der New York Times gab. Er erschien mit einem neu gewachsenen Bart und spielte mit einer Gebetskette. Saif al-Islam, der sich gerne als Kosmopolit gab, erklärte, er verbünde sich gerade mit den Islamisten in den Reihen der Rebellen, um gemeinsam die liberalen Aufständischen zu bekämpfen. Die Regierung erklärte anschließend, Saif habe nur für sich gesprochen.

Unter seinen acht Geschwistern ist Saif der bekannteste. Er galt als Nachfolger seines Vaters und agierte häufig auf internationalem Parkett, etwa bei der Freilassung von Entführten oder Entschädigungszahlungen für Anschläge. Zugleich legte er sich das Image eines Reformers zu.

Davon blieb nach Beginn der Rebellion nichts übrig. Am 20. Februar, drei Tage nach den ersten großen Demonstrationen, kündigte er Tausende von Toten an, sollten die Proteste weitergehen. Eine Woche später tauchte ein Video auf, in dem er, ein Sturmgewehr schwenkend, eine Menschenmenge anfeuerte, die Opposition zu bekämpfen.

Wenn es nach Saif al-Islam geht, ist in Tripolis so weit alles in Ordnung. „Wir haben das Rückgrat der Rebellen gebrochen“, sagte er den Journalisten bei der nächtlichen Fahrt. „Wir kontrollieren Tripolis. Jeder kann davon ausgehen.“ BEATE SEEL