AMERICAN PIE
: Stolpernder Heilsbringer

FOOTBALL Der gehypte Quarterback Johnny Manziel enttäuscht bei den Cleveland Browns maßlos

Es scheint allerdings, dass Manziel die nötige Demut fehlt

Am Sonntag, das war der Plan, sollte in Cleveland die Zukunft zu besichtigen sein. Stattdessen kam eine Hinrichtung erster Klasse zur Aufführung. Nein, das war kein schöner Anblick, der erste Auftritt von Johnny Manziel als Nummer-eins-Quarterback der Cleveland Browns.

Keinen einzigen Punkt brachte der vom 22-jährigen Nachwuchsspielmacher gesteuerte Angriff gegen die Cincinnati Bengals zustande. Statt, wie von 67.000 freudig erregten Zuschauern erwartet, eine neue, glorreiche Ära einzuleiten, kassierten die Browns eine 0:30-Abreibung und haben nun nur noch rechnerische Chancen auf die Playoff-Qualifikation. Vor allem aber wirkte der apostrophierte Heilsbringer auf der großen Bühne denkbar deplatziert: „Wie ein Kind unter Männern“, sollten die Analysten am folgenden Tag in den Lokalzeitungen frustriert verkünden.

Es war ein Schock für die Football-Fans in Cleveland. Und eine Bestätigung für die noch zahlreicheren Manziel-Kritiker im Rest des Landes. Kein anderer Spieler in der National Football League (NFL) ruft derzeit solch extreme Reaktionen hervor. Den einen gilt Manziel nicht nur als Riesentalent, sondern als spektakulärer Spieler mit dem Potenzial, ein Aushängeschild der Liga zu werden. Für die anderen ist Manziel vor allem eins: hoffnungslos überschätzt.

Diese Kontroverse begleitet Manziel seit Jahren. Schon auf der Highschool war er ein Star, bekam Stipendiumsangebote von nahezu allen wichtigen Universitäten. Er entschied sich schließlich für Texas A&M. Dort wurde er 2012 mit der begehrten Heisman Trophy als bester College-Footballer ausgezeichnet und bekam den Spitznamen „Johnny Football“.

In seinen drei Uni-Jahren entwickelte Manziel allerdings auch ein Image als Party-Löwe. Statt Spielzüge zu büffeln, genoss er das Leben als VIP, legte sich Promi-Freunde wie den Rapper Drake zu und verbrachte nach einer Rangelei eine Nacht im Gefängnis.

Touchdowns feierte er, als College-Sportler offiziell Amateur, mit dem Symbol für Geld: Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Arrogant, aber treffend: Manziel hatte noch keine Minute in der NFL gespielt, da hatte er schon millionenschwere Werbeverträge an Land gezogen. Sein Browns-Trikot mit der Nummer 2 ist bereits das drittmeist verkaufte in der NFL.

Doch der Hype fällt dem Rookie nun auf die Füße. Genüsslich feierten die Bengals am Sonntag jede gelungene Aktion mit Manziels Markenzeichen und rieben sich die Finger, während der Verspottete wie ein Anfänger übers Spielfeld stolperte. Manch einer hatte schon vermutet, dass Manziels Stil, die Quarterback-Position zu interpretieren, nicht auf die NFL übertragbar ist. Im College konnte er gegnerische Verteidigungsreihen mit schnellen Beinen und improvisierten Würfen überraschen. Doch bei den Profis weht ein anderer Wind: Scheinbare Lücken schließen sich viel schneller, behäbige Würfe werden abgefangen. Gegen die Bengals ließ sich das Versagen von Manziel und seinen Mitstreitern auch beziffern. 107 Yards konnten sie den Ball im ganzen Spiel nach vorne bewegen: absoluter Tiefstwert in dieser Saison – für alle Mannschaften in der NFL. „Sah aus wie ein Rookie, spielte wie ein Rookie“, stellte sogar sein Trainer Mike Pettine frustriert fest.

Trotzdem wird Pettine weiter an Manziel festhalten. Manziels Vorgänger Brian Hoyer, der die Saison ganz passabel begonnen hatte, spielte in den letzten Wochen selbst unterirdisch. Außerdem wurde Manziel von den Browns, die sich seit 12 Jahren nicht mehr für die Playoffs qualifizieren konnten, als Retter geholt. Dieses Experiment nach nur einem Spiel zu beenden, kann sich der Klub kaum leisten.

Aber auch andere, mittlerweile renommierte Quarterbacks waren in ihrer Rookie-Saison überfordert. Es scheint allerdings, dass Manziel die nötige Demut fehlt. Nein, er habe sich nicht überfordert gefühlt, der Profi-Football sei nicht zu schnell für ihn, gab Manziel nach seiner missratenen Premiere zu Protokoll, er befinde sich in einem „fortlaufenden Prozess“. In den letzten Sekunden des Spiels, die Niederlage war längst besiegelt, hatte man Johnny Football noch am Spielfeldrand sitzen sehen – breit lächelnd. THOMAS WINKLER