urdrüs wahre kolumne
: Hau dich selber inne Fresse

ULRICH REINEKING, Journalist, Kabarettist und Bahnkunde, bewertet seinen lokalen VIP-Status ganz sicher nicht über.

Singen wir einmal mehr das Lied des braven Mannes und der braven Frau: Vor dem Animierlokal „Zum Krokodil“ an der Bremer Nordstraße beschimpft ein Freier, weiß, eine Frau, schwarz, als „vollgewichsten alten Kohlensack“, nachdem offenbar im Preisgespräch keine Einigung erzielt werden konnte. Als er die Dienstleisterin dann auch noch handgreiflich bedroht, wendet sich eine Kollegin an einen wackeren Taxifahrer, der nunmehr mit dem Teleskop-Knüppel aus dem Sack den Aggressor auffordert: „Hau dich mal eben selber inne Fresse, aber richtig mit Schmackes – oder ich mach das.“ Der Kerl, übrigens dem Grünen Bütikofer erstaunlich ähnlich, tut wie ihm geheißen – und das auch noch so saftig, dass man von einem echten Happy End dieses Sommerromans aus dem wahren Leben sprechen kann.

Die Nacht, in der Niedersachsens Kneipen rauchfrei wurden begehe ich mit meinem Freund Bernd in der von Gutbürgerlichkeit weit entfernten Gaststätte Menneking im Ortsteil Deckbergen unweit der Schaumburg und erlebe, wie der seit Jahren nicht mehr benutzte riesige Saal per feierlich aufgeklebtem Hinweis frisch aus dem Computer zum Nichtraucher-Bereich avanciert, während die verqualmte Kneipe mit dem Bildnis von Reichspräsident Hindenburg künftig als Raucher-Refugium dient. Der Kampf geht weiter – bis die Teerlungen selbst vor dem Europäischen Gerichtshof erscheinen!

Bislang unbekannte Investoren planen, nach Rio de Janeiro und Barcelona auch Hamburg mit einer Seilbahn vom Domplatz über die Hafencity bis nach Wilhelmsburg zu beglücken. Und natürlich haben die zuständigen Freibiergesichter aus der Baubehörde schon zugestimmt, „so lange es die Stadt keinen Cent kosten wird“. So ähnlich fing das in Bremen mit dem Spacepark auch mal an – und natürlich wird Karl der Käfer wieder nicht gefragt!

Vom Landgericht Itzehoe wurde jetzt ein als ziemlich durchgeknallt diagnostizierter 32-Jähriger wegen Hochstapelei zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er sich mit einem falschen Doktortitel geschmückt und als Sicherheitsbeauftragter des Bundesnachrichtendienstes ausgegeben hatte. Ja, wenn er im Ernst für die Schlapphüte tätig gewesen wäre – ich hätte das Urteil wohl verstanden. So aber nehme ich fast an, dass als Vorsitzender Richter ein Wiedergänger Ronald Schills wirkte – und wunderte mich nicht, wenn hinter alledem der Ex-Bremer Briefzusteller Gert Postel alias Dr. Dr. Clemens Bartholdy stecken würde, den ich eigentlich in der Rolle irgendeines Landesministers wähnte.

Weit führt mich an diesem Wochenende der Weg durch taznord-Land: Punkt 12 Uhr Ortszeit Bremen-Tenever rufe ich am heutigen Sonnabend im abrissgeweihten Sproutbau die Freie Republik Sprout aus, am Abend betätige ich mich als lautstarker Einpeitscher des Fanchors für Robby „Wildcat“ Brookside beim „Rumble on the Beach“ der European Wrestling Promotion im Biergarten am Steinhuder Meer. Und morgen darf ich mich trinkend und häppchenessend meines lokalen VIP-Status beim Schlagerfestival am Doktorsee in Rinteln mit Roland Kaiser, Nino de Angelo, Bernd Clüver usw. erfreuen. Das alles aber geht mit ÖPNV und Gottvertrauen – legt euch inmitten des anhaltenden Tarifkampfes der Lokführer ans Herz ULRICH „Autolos“ REINEKING