MARTIN REEH ZU ATTAC UND DEM ANTI-G-7-PROTEST
: Die Angst der Bettvorleger

Bei Attac haben sie offenkundig niemals die Pleite von 1999 aufgearbeitet. Als der G-8-Gipfelzirkus damals in Köln haltmachte, planten die linken Gruppen, die dagegen protestierten, was sie immer planen: eine Großdemonstration, die niemanden groß interessierte. Ein halbes Jahr später startete die globalisierungskritische Bewegung durch: mit den medienwirksamen Protesten in Seattle. Göteborg, Genua, Evian waren die nächsten Stationen, die auch Gruppen wie Attac enormen Zulauf bescherten. Hätte sich die globalisierungskritische Bewegung allein auf die zahnlosen Deutschen verlassen müssen – sie wäre niemals groß geworden.

Mit Absicht haben die Regierungen nach Genua die Tagungen in die abgelegensten Regionen verlegt. Der Protest soll möglichst wenig stören. Statt 2015 dennoch zumindest in die Nähe von Schloss Elmau, nach Garmisch, zu mobilisieren, plädierten Attac Deutschland, Campact und andere nun für eine Großdemonstration in München. Das ist etwa so, als hätten die Atomkraftgegner nicht jahrelang in Gorleben, sondern nur in Hannover protestiert. Wer erfolgreichen Protest will, muss wenigstens eine symbolische Konfrontation organisieren. Das geht nur am Ort des Geschehens. Wer in München demonstriert, produziert nur ein paar schnell vergessene Schnittbilder für die „Tagesschau“.

Attac weiß aber nicht mehr, wie erfolgreicher Protest auf der Straße funktioniert. Das mag am mangelnden Mut liegen, wie der Politik-Professor Peter Grottian schon lange kritisiert. Sicher ist aber: Noch zahnloser als die Opposition im Bundestag ist die der etablierten deutschen Globalisierungskritiker. Und dass sie jetzt erwägen, ihre Mobilisierung zu reduzieren, weil die Mehrheit der Gipfelgegner für eine Demo in Garmisch statt in München plädierte, zeugt von fehlendem Demokratieverständnis.

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