BUCHTIPP

Exzentrische Reisende

Wer reist mit Frau und zwei Töchtern, einem Spaniel, einem Papageien und einem Affen in einem zweirädrigen Einspanner durch Frankreich und Spanien? Es kann sich nur um einen Engländer handeln. Captain Philip Thicknesse hatte in seiner Heimat gegen irgendwelche Gesetze verstoßen, floh 1775 aufs Festland – und gestaltete seine Flucht als Vergnügungsausflug. Sein Reisebericht, der zwei Jahre später erschien, wurde ein Erfolg. Noch besser verkaufte sich eine Flut von Verleumdungsschriften, die er 1788 veröffentlichte, um mit seinen Feinden abzurechnen – darunter einem Hauptmann der Marine. Der 81-jährige lahme und taube Soldat hatte es gewagt, Thicknesse zum Duell zu fordern.

Die Geschichte der Familie Thicknesse ist eins von sieben Porträts von exzentrischen Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts, die der schottische Schriftsteller und Historiker John Keay zusammengestellt hat. Sechs davon waren Engländer, zum Beispiel Thomas Manning, der 1808 auf eine Forschungsreise nach China aufbrach, als erster Engländer Lhasa erreichte, in seinen Briefen aber lediglich über die Strapazen und Frustrationen seiner Reise klagte. Sein Tagebuch wurde erst 26 Jahre nach seinem Tod gefunden und veröffentlicht. Sein Zeitgenosse James Holman, der „den großen Globus gründlicher als irgendein Reisender zuvor“ durchquerte, wie die Times schrieb, notierte seine Erlebnisse dagegen in aller Ausführlichkeit. Landschaftsbeschreibungen fehlen völlig, stattdessen erzählt er von seinen Begegnungen mit Menschen. Der Grund: Holman war blind. Der einzige Nichtengländer unter den sieben Porträtierten ist Gottlieb Wilhelm Leitner, der 1840 in Budapest als Sohn deutscher Eltern geboren wurde. Er lernte fünf Fremdsprachen, als er noch im Kindergarten war, zehn weitere, als er zur Schule ging, und fügte dann jedes Jahr eine neue hinzu. Mit 15 bekam er einen Job als Dolmetscher in der britischen Armee, womit seine Laufbahn als Exzentriker begann.

Keays Buch ist ein großartiges Dokument des frühen Reisens, das aufgrund seiner skurrilen Protagonisten höchst unterhaltsam ist. RASO

John Keay: „Exzentriker auf Reisen um die Welt. Sieben Porträts“. Aus dem Englischen von Norbert Hofmann. Edition Tiamat, 16 €